Stefan (Gast) meinte am 23. Sep, 11:53:
wirklich gelernt ?!?
bitte nicht als vorwurf verstehen ... nur ein denkanstoß:haben die kinder wirklich gelernt. lernen setzt einverständnis vorraus, die bereitschaft, das neue als wichtig zu erachten. was mir wichtig ist, das behalte ich (gehirnnetze knüpfen). kinder aus echten ghettos lernen pokemanfiguren mit all ihren fähigkeiten auswendig als wäre es nichts ... die paar bundesländer wollen aber einfach nicht sitzen. so erlebt: kein kind hätte die nationalhymne gerne gelernt ... dann kam bei uns in deutschland die fußball-wm - plötzlich konnte sie jeder mit inbrunst.
nun also die frage: haben die kinder die berge und flüsse wirklich gelernt? fragen sie doch noch mal in ein paar monaten nach? in einem jahr ... ? da ich mit ihnen im gleichen glashaus sitze, äußere ich das nicht als kritik, sondern als beobachtung. noten sind eine kurzfristige motivation - langfristig lässt sich so aber kein wissen aufbauen (so ist zumindest meine erfahrung). wie ist es bei ihnen?
pequod antwortete am 23. Sep, 22:11:
@stefan: wird schwer werden, in den kindern eine enthusiastische leidenschaft für geographische details zu entfachen. haben Sie einen vorschlag?
teacher antwortete am 24. Sep, 11:58:
@ stefan u. @ pequod:Sie sprechen zwei grundlegende Themen an, die sich nicht in wenigen Sätzen klären lassen.
1) Nachhaltigkeit: Wie lange hält Wissen?
Bei der Topographie Europas mache ich mir da keine Sorgen. Die Begriffe (Staaten, Flüsse, Hauptstädte, Inseln ...) kommen regelmäßig in den Medien (und in Geographie) wieder vor (Wiederholungseffekt) - die Kinder werden sie zuordnen können und langfristig behalten. Bei vielen anderen Schulfakten bin ich weitaus skeptischer.
2) Motivation:
Die Didaktik geht (momentan) davon aus, dass Lehrer ihre Schüler nicht motivieren können (extrinsisch), aber gute Voraussetzungen schaffen, dass sich die Kinder selbst motivieren (intrinsisch). Noten können einen Wettbewerb initieren (mit sich selbst, mit den Mitschülern, mit dem Stoff ...), der die Schüler lernen lässt. Sie können aber auch zu sturem Auswendiglernen (aus Angst vor Sanktionen, z.B) führen.
In der Praxis sehe ich viele Gründe, warum Kinder lernen (oder nicht), ich versuche möglichst viele davon einzusetzen - auch Noten.
Stefan (Gast) antwortete am 24. Sep, 12:42:
... leider keine ideen
nein, ich habe keine ideen und unterrichte deshalb stellenweise (gerade bei geografischen themen) nach den gleichen prinzipien wie sie teacher schon ausgeführt hat - also eine motivation über noten etc.ich stelle jedoch die begründete frage, ob diese schüler wirklich lernen (lernen im sinne vom ausbau neuer wissensnetze)?!? ich selber habe für diverse examensprüfungen wissen in mich hineingeschaufelt (motivation: gute note), kann mich jedoch nur noch an die dinge erinnern, die für mich damals wie heute relevant bzw. interessant erscheinen. alles andere ist weg, zumindest nicht abrufbar.
nunja, ich bin mir selber unsicher, ob diese paukphasen nun doch einen sinn haben ... ich werde die bundesländer auch weiterhin pauken lassen - aber meine bedenken bleiben.
teacher antwortete am 24. Sep, 12:58:
Bedenken sind sinnvoll.Der Hinweis "nicht erinnern" bzw. "nicht abrufbar" ist bei der Diskussion um Nachhaltigkeit wichtig. Mir gefällt z.B. die Definition von Intuition (Summe aller vergessenen Informationen) recht gut. Es bleibt vom Gelernten auf jeden Fall etwas übrig, machmal halt nur ein "Bauchgefühl". Langfristig reicht es ja schon, wenn die Kinder wissen, dass der Mississippi kein Fräulein in Amerika, sondern ein großer Fluß ebendort ist.
Sicher ist, dass Nichts von Nichts kommt.
Nachtblau antwortete am 24. Sep, 13:40:
Ich hab mal gelesen, dass intrinsische Motivation in den wenigsten Fällen von selber kommt, sondern meist durch anfängliche extrinsische Motivation erreicht wird, kein schlechter Ansatz meiner Meinung nach. Und wenn wir ehrlich sind, man kann sich nicht für alles interessieren, soviel Speicherkapazität haben wir einfach nicht, und wieso nicht (für uns) unnütze Sachen vergessen, wenn man den Platz im Gehirn für wichtigere Sachen braucht? Das Gleiche sollte man auch den Schülern zugestehen.
teacher antwortete am 24. Sep, 20:09:
Also Platz wäre genug da - wir nützen nur ein paar wenige Prozent unseres Gehirns. Aber die Zufahrt ist recht steil gebaut: Die Auffahrt braucht viel Energie (Lernaufwand), die Abfahrt geht von alleine (Vergessenskurve). Sisyphus lässt grüßen!