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cotopaxi

 
Innenschau und Aussenschau, größere Unterschiede kann es gar nicht geben.
Ich sitze im Nebenzimmer am Computer und tippe die Noten ein. Hinter mir warten zwei Kollegen auf meinen Arbeitsplatz und jammern sich ihr Leid von der Seele: Es ist Notenzeit, das Elend des ganzen Schuljahres wird sichtbar. Mütter weinen um Noten, Väter bemühen Anwälte, Schüler drangsalieren, Lehrer mauern oder knicken.
Draußen ist es schwül und drinnen wird die Stimmung unerträglich. Prüfungen und Noten erzeugen Druck und Leid - nicht nur bei Schülern, auch bei Lehrern. Manche - nicht wenige! - sind Ende Juni diesem Streß nicht mehr gewachsen.
Ich zeige beim Fenster hinaus und sage:
"Da draußen, die beneiden uns: Sicherer Job, Halbtagsarbeit, lange Ferien!"
Sie erzählen von zwei Kollegen, die in der letzten Woche zusammengebrochen sind.
Eine Dame im besten Alter mit 16 Maturakandidaten, also einer dicken Mappe mit Prüfungskopien, korrigierten Portfolios und Lernmaterial, kommt nicht zur Schule. Vorsitzender, Direktor und 16 Schüler warten, sie pendelt zwischen Badezimmer und WC. Dann erscheint sie, völlig bleich, und zieht Stunden an Prüfungen durch. Am besten Weg zum nächsten Zusammenbruch.
Am Vorabend hat eine gleichaltrige Kollegin beim Ausparken ein Moped umgestürzt, ihre Entschuldigung wurde milde belächelt: "Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren."
Es kann kein Zufall sein, dass ein dritter Kollege, praktisch zur gleichen Zeit, einen Lichtmasten touchiert: "Ich verstehe das nicht, so etwas ist mir noch nie passiert."

"Sie sind Schuld", höre ich eine aufgebrachte Mutter, "dass wir unseren Urlaub absagen müssen."
Ihr Sohn wurde vor vier Monaten "frühgewarnt", die Eltern zum Sprechtag im Herbst und nach dem Semesterzeugnis vorgeladen - ohne Echo. Jetzt, wo die negativen Noten feststehen, findet die Mutter in die Schule, um ihren Urlaub zu retten. Die Leistung des Sohnes interessiert sie einen warmen Kehrricht.
Außenstehende mögen lachen, aber der Schulschluss fährt uns tief in die Knochen. Viele kriechen am Zahnfleisch, die Härte des Jobs wird maßlos unterschätzt. Sogar belächelt.
Aber zum Schaden kommt oft der Spott.
sillerbetrachter meinte am 21. Jun, 09:15:
Dass der Leherberuf nicht leicht ist, sollte "denen da draußen" auch bewusst sein. Frage doch mal, wer von den Meckerern/ Eltern selber den Job machen wollte? Zum Schuljahresende sind die Akkus leer und wenn das Ende in Sicht ist, erscheinen die letzten Hürden manchmal schwer überwindbar. Dass gerade die Schlussphase besonders hektisch ist, wiederholt sich jedes Jahr. Für manche anscheinend überraschend? 
teacher antwortete am 21. Jun, 13:17:
Nicht überraschend, aber unvermeidbar. 
 

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