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cotopaxi

 
Ich habe eine seltene Krankheit: Wenn ich Wirtschaftszeitungen lese, wird mir schlecht.
Die eigentliche Krankheit besteht darin, dass ich wie ein Süchtiger Wirtschaftszeitungen kaufe. "Um zu leiden!", behauptet mein psychologisierendes Über-Ich. "Du bist ein ökonomischer Masochist!"

Die Aprilausgabe des österreichischen Wirtschafsmagazins "trend" stellt unter dem Titel "Hier macht Arbeit Spaß" die besten Arbeitgeber Österreichs vor. Ich habe wie wild geblättert, aber meiner war nicht darunter. Ich vermute, die Autoren haben erst gar nicht nachgefragt. Oder schlicht vergessen.
Zusammenfassung: Als Lehrer habe ich einen sicheren Job bei einem beschissenen mediokren Arbeitgeber.
Ich habe nachgelesen, worin die Beliebtheit eines Arbeitgebers begründet liegt ... und bin zunehmend verfallen. Jetzt habe ich die absolute Sicherheit, dass an der miserablen Schulverfassung weder die Schüler, noch die Lehrer, nicht einmal die Schulwarte oder die bösen Medien Schuld sind.

Die besten Arbeitgeber:

Der Sieger: ..."Gehälter sind gut, Arbeitszeiten flexibel, Karrieren mit Kindern werden gefördert."
Schule: Mit den Gehältern geht es seit Jahren bergab, die Arbeitszeiten wären zu Hälfte völlig flexibel (aber die Öffentlichkeit schüttet uns deswegen mit Neid und Hohn zu: "Halbtagsjob"), Karrieren gibt es nicht.
"Diese Arbeit ist ein Teil meines Lebens, den ich auf keinen Fall missen möchte." Den zweiten Teil werden sie in den Schulen heute nicht mehr hören.

Rang 2: "Spaß steigert Leistung"
Schule: Spaß ist verboten, besonders für Lehrer. Alle quälen uns - am meisten wir uns selber (glauben wir).
"Hinter dem Erfolg steht ... eine besondere Firmenkultur, die Spitzenleistungen fördert."
Schule: Kein Erfolg, weil wir Spitzenleistungen weder fördern, noch anstreben.

Mir ist schon zum Heulen, ich lese aber weiter. Masochistisch!

Rang 3: "Weekend in Paris ... da opfern die Mitarbeiter schon gerne etwas Freizeit."
"Gute Teamführung ... Stolz auf den Arbeitgeber ... faire Behandlung ... Prämien bei der Zielüberschreitung."
Schule: Das alles klingt klingonisch, kennen wir nicht (mehr). Unverständliche Entscheidungen, undurchsichtige Hierarchien, unverständliche Bevorzugungen, keine Prämien für besondere Leistungen.

Ich sollte nicht weiterlesen, meine linke Brust brennt, mein Hals schwillt an.

Sonderpreise:
1. Sonderpreis
"finanzielle und soziale Anreize" für besondere Leistungen, "vielfältiges Schulungsprogramm, das von den Mitarbeitern sehr geschätzt wird"
Schule: Keine Anreize, im Gegenteil. Miserables Fortbildungsangebot, das von allen Seiten in der Luft zerrissen wird.
2. Sonderpreis
"viel Raum für Kreativität", "Mitarbeiter werden bewusst in Entscheidungen einbezogen", "Nähe des Vorstands zu seiner Belegschaft"
Schule: Wir haben immensen Raum für Kreativität - nur nützt und schätzt sie niemand. Entscheidungen fallen ganz wo anders, der Vorstand sitzt in politisch motivierten, anonymen Gremien.

Es folgen weitere zwanzig "great places", die alle den arbeitenden Menschen respektieren, fördern, unterstützen. Freude, Würde, Ideen, Leistung, Loyalität, Engagement, Kommunikation, Motivation, Anreize ... Begriffe, die unser Schulsystem heftig meiden.

Ich habe eine Krankheit, die ich meinen Vorgesetzten wünsche: Schaut doch mal, wie man Unternehmen führt, damit sie Erfolge bringen.
 

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