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cotopaxi

 
Ich bin hin- und hergerissen.

Einerseits höre ich PrüfungskandidatInnen, die in bestem Oxford-Englisch über H.G.Wells parlieren oder in 30 Minuten eine nette HTML-Webseite basteln. Es gibt immer noch gute Schülerleistungen ... und es gibt traurige Erscheinungen.

Beispielsweise rätselt eine Bio-Kandidatin wild über die Entstehung von Erdöl herum.
"Und woraus entstehen die Kohlenwasserstoffe?"
"Aus Pflanzen."
"Wann ist das passiert? Und unter welchen Bedingungen?"
"Ahhh ... früher ... wenn es zugeschüttet wurde."
"Und was geschieht da in großer Tiefe?"
"Da ist es dunkel."

Vor Jahren hätten wir solche Leute hochkant aus dem Saal geschmissen. Heute reicht es für eine gute Beurteilung. Ehrlich.

Ein anderer Kandidat regt sich über die Fragen seines Geschichtelehrers auf: "Der prüft so streng!"
"Was denn?", frage ich.
"Der wollte z.B. wissen, wo die Nordgrenze des römischen Reichs lag!"
"Carnuntum, Limes ... das liegt vor unserer Haustüre, das besichtigen sogar unsere Kindergartenkinder."
"Na und?"

"Woher stammt denn Diego Rodriguez?" will der Kunstlehrer wissen.
"Mhm ... aus Frankreich?"
"Klingt das so?"
"Naja ..."
"Und wann hat er gelebt?"
"Zu Napoleon."
Wurde letztlich auch positiv bewertet.

Durchgefallen ist Kandidat sieben wegen seines Spezialgebietes. Das ist jener Bereich, den sich unsere SchülerInnen individuell nach ihren eigenen Interessen aussuchen können. Er wählte das "Rechtssystem Australiens", gab ein herrliches Portfolio dazu ab, konnte aber die Fachbegriffe, die er (?) verwendet hatte, nicht erklären. Offensichtlich hat er weder gelesen, noch verstanden, was er da heruntergeladen hatte.

Das ist kein Einzelfall. Gerade dort, wo die Maturanten die freie Wahl haben, bringen sie die schlechtesten Leistungen.

Das soll mir einer erklären.
destello (Gast) meinte am 16. Jun, 23:29:
Diego Rodriguez
Wird Diego Velazquez in Österreich Diego Rodriguez genannt? Das habe ich bisher noch nie gehört und nur durch Wikipedia herausgefunden. 
Frau K (Gast) antwortete am 17. Jun, 06:52:
Ist das nicht ein Nachwuchsbaseballer aus der Dominikanischen Republik? 
david ramirer antwortete am 17. Jun, 09:14:
Ich habe die Bezeichnung "Diego Rodriguez" für Diego Velazquez auch noch nie gehört, und habe eine einschlägige Ausbildung in Österreich hinter mir.

(überdies würde ich die frage mit zwei "n" vor dem namen stellen, wobei wir wieder bei gratis-lektoratstätigkeiten sind ;) 
teacher antwortete am 17. Jun, 10:31:
Danke fürs Lektorieren :-)

P.S.: Über den Namen Velazquez war vorher schon gesprochen worden. 
Anja-Pia antwortete am 18. Jun, 11:20:
Muss man aber nur wissen, wenn man in bildnerischer Erziehung maturiert, oder? 
burnheart (Gast) meinte am 17. Jun, 13:21:
Vor Jahren hätten wir solche Leute hochkant aus dem Saal geschmissen. Heute reicht es für eine gute Beurteilung. Ehrlich.
Auf der anderen Seite würde ich mich als Lehrer dann aber schon auch hinterfragen. Wie kann es sein, dass solche Schüler erst bei der Reifeprüfung auffallen. Die Jahre davor waren die Leistungen offenbar auch ausreichend. Wieso ist es in der langen Zeitspanne nicht gelungen zumindest Basiskentnisse zu vermitteln etc. 
teacher antwortete am 17. Jun, 20:21:
Genau diese Argument bringen auch unsere Vorgesetzten, z.B. Landesschulinspektoren, Prüfungsvorsitzende. Dieselben sind es, die vorbeikommen und verwarnen, wenn ein Lehrer mehr als 4 oder 5 negative Noten gibt. Der größte Druck, der auf Lehrer ausgeübt wird, ist, möglichst keine Kinder negativ zu beurteilen bzw. durchfallen zu lassen. So kommen auch ziemlich Unwillige, Untätige und Unbegabte bis zur Reifeprüfung und darüber hinaus.

P.S.: Demnächst werden in Österreich auch Schüler mit 3 negativen Noten in die nächste Klasse aufsteigen. 
Ketzerkatze (Gast) antwortete am 17. Jun, 22:34:
Negative Noten?
Ist das bei euch die 5 und 6, oder gehört schon die 4 dazu? 
BIA (Gast) antwortete am 17. Jun, 22:37:
Wir haben keine 6, die 5 ist die einzige negative Note.

@teacher: Mit DREI Fünfern dürfen die Schüler in Zukunft aufsteigen??? WTF??? 
Mia (Gast) antwortete am 17. Jun, 23:52:
Ich frage mich eher wie die Leute dann an den Unis überleben wollen. Hauptsache die Schule wird irgendwie geschafft und an der Uni kann man dann quasi nur noch scheitern?
Wobei ich bin ja auch dafür: Drei Fünfer und Semester trotzdem geschafft. Nice ;-)
Nein, im Ernst, ich finde nicht, dass man mit einer neagativen Note aufsteigen sollte. Speziell mit drei neg. Noten. Ich glaube unser Schulsystem ist für fast jeden schaffbar, für den einen ist es etwas mehr Aufwand als für den anderen, aber ich glaube wenn man wirklich, wirklich viel, dann schafft man es auch wenn man etwas weniger Intelligent ist. Es ist nicht so schwer und gerade vor der Matura wird einem ja meist eh mehr geholfen?

Komisch finde ich, dass die Schule in meinen Augen immer leichter gemacht wird, dafür schmeißt man den Studis immer seltsame Sachen vor die Füße. Wer nicht sofort mit 18 anfängt kann damit rechnen innerhalb seiner Studienzeit die Kinderbeihilfe zu verlieren, blöde Sache. Riesen Prüfungen zu Beginn (die leider auch wenig darüber Aussagen ob man für dieses Studium nun richtig ist...) und nur noch zwei Antritte (aber dafür mit drei Fünfern aufsteigen... höm ;) ).
Irgendwie steht das total kontär zueinander... Und bei beiden wird in meinen Augen irgendwie versagt... 
burnheart (Gast) antwortete am 18. Jun, 00:23:
aufsteigen mit 3 5ern finde ich gar nicht mal schlecht. denn wenn die noten als druckmittel wegfallen, muss man sich endlich mal alternativen überlegen und gelangt vielleicht mehr zu einer pädagogik, die die intrinsische motivation in den vordergrund stellt.

mal ehrlich was sagen noten in der derzeitigen form überhaupt aus.
ich pers. hatte in der schule meist wirklich schlechte noten und bin sitzengeblieben. mein wissensstand hat sich von "vorzeigeschülern" aber nicht groß unterschieden - begabung sowieso nicht. lehrer hatten es bei mir aber wohl etwas schwerer "ihre arbeit" zu erledigen. dies rächte sich natürlich mit skurillen beurteilungen (3 grad schlechtere note bei gleicher punktzahl, fallfehler in der nennform(!) etc.). auf der uni lief es dann umgekehrt. mir kam die anonymität zugute - es zählte nur die leistung der prüfung und nicht das verhalten etc. die ehemaligen vorzeigeschüler hatten damit große probleme.
vermutlich ist dies ein strukturelles problem siehe -> http://derstandard.at/3343977?seite=7

noten innerhalb einer klasse sind schon nicht aussagekräftig. zwischen verschieden klassen und schulen sowieso. ein wenig scheinen noten zu einem reinen druckmittel verkommen zu sein, um schüler ruhig und konform zu stellen. 
burnheart (Gast) antwortete am 18. Jun, 01:11:
übrigens ein äußerst lesenswertes interview zum thema schulnoten von Pädagogikprofessor Vierlinger:
http://derstandard.at/1277339280009/Noten-Leistungsgruppen-fuer-schwache-Schueler-eine-Katastrophe 
Tiffi (Gast) antwortete am 18. Jun, 18:27:
Das Thema selber auswählen bedeutet doch sicher auch das erste Mal wirklich alleine und selbstständig arbeiten. Daran scheitert jedes Jahr eine kleine Reihe von Erstsemestern. Vielleicht kann ein schönes Thema die notwendige Selbstdisziplin nicht ersetzen. 
BIA (Gast) antwortete am 18. Jun, 18:39:
Das Thema selbst auszuwählen bedeutet auch, sich sicher zu sein, dass man mehr darüber weiß als der Lehrer und (wenn man sehr naiv ist), dass man seitenweise aus Google books abschreiben kann und der Lehrer garantiert nicht da nachschauen wird, weil ihm die Stilunterschiede nicht auffallen werden.

Hatten wir heuer, und offenbar nicht nur wir. Es gab in Bayern mittlerweile ein Gerichtsurteil, dass Plagiate bei Facharbeiten zur Note Null Punkte führen. Großer Aufschrei bei Schülern, als das bekannt wurde.... 
Bildungsmisere (Gast) antwortete am 18. Jun, 21:09:
@BIA Ist nicht dein Ernst, oder?
Wie doof sind manche Schüler? wääääähääää, ich wurde beim Abschreiben erwischt. Aber wir haben ja genug schlechte Vorbilder, siehe VroniPlag.

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Home 
BIA (Gast) antwortete am 19. Jun, 22:06:
@Bildungsmisere
Ich hab mir grad mal den Link gegeben. Da ist Frau Mehrin ja echt eine von den harmloseren welchen. Oh mein Gott.

Und ja, Schüler können so doof sein. Man muss aber auch sagen, dass einfach kein Unrechtsbewußtsein besteht, was Urheberrechte angeht - dass Guttenberg irgendwo nicht ganz okay gehandelt hat, als er Teile seiner Doktorarbeit abschrieb, fanden viele meiner Schüler quer durch alle Klassen gar nicht. Und dass er öffentlich dafür kritisiert wurde, kritisierten sie um so mehr. Man habe ihn ja nicht gewählt, weil er seine Doktorarbeit selbst geschrieben habe. *argh 
teacher antwortete am 21. Jun, 08:43:
Diese Plagiate sind eine Katastrophe für unsere Bildungsanstrengungen. Klauen ist schon akzeptiert, super. 
cc antwortete am 21. Jun, 09:40:
mit 3 Nichtgenügend aufsteigen?
lieber teacher,
Du solltest es bittebitte durchschaun.

Anatomie einer Desasterdebatte: http://chorherr.twoday.net/stories/29747481/ 
teacher antwortete am 21. Jun, 21:02:
Brrr, ich bin beschämt. 
steppenhund meinte am 20. Jun, 14:02:
[OT]
Es geht auch anders. 
teacher antwortete am 21. Jun, 08:41:
Ja. Es ginge anders. 
 

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