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cotopaxi

 
Matthias macht Fortschritte.
Seine Eltern gaben nicht mehr nach und wechselten die Schule für ihren Sechzehnjährigen. Die Schulnachricht mit acht negativen Noten hatte den Ausschlag gegeben.

Der neue Klassenvorstand kommt auch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen und setzt Matthias neben den Klassenstreber. Schulwechsel (innerhalb eines Unterrichtsjahres) nährt Vermutungen auf Probleme in der Altschule. Man beobachtet seine Neuzugänge, manchmal versucht man sogar deren Herkunft zu durchleuchten - das gerät dann zu legalen und psychologischen Gratwanderungen (im Interesse der Klassengemeinschaft).

Am Ende der Woche steckt der Klassenstreber dem Klassenvorstand einen Verdacht: "Da Matthias stinkt nach Bier!"
Inquisition:
"Matthias, trinkst Du schon am Vormittag Bier? Gar in den Pausen?"
"Naa, Herr 'fessa, wirkli net ... Ehrlich."
Wer muss drei Mal nein sagen in einem Satz, wenn nicht der Verdächtige!

"Bier?"
Der alte Klassenvorstand muss lachen: "Das ist ein Fortschritt. Bei uns hat er in der fünften Klasse Absinth-Parties steigen lassen. In mehreren Stunden! Und mit wirklich weiten Pupillen ..."

Bier und Nikotin - das ist ein echter Fortschritt. Nicht nur für Matthias.

P.S.: Matthias hat nicht gelogen, er trinkt wirklich nicht in den Pausen, er trinkt während der Stunden.
sweets meinte am 17. Feb, 20:17:
na klasse... genauso eine steigerung wie bei dem freund meiner schwester... 
teacher antwortete am 18. Feb, 19:58:
Matthias ist nicht alleine ... 
sweets antwortete am 18. Feb, 22:33:
ja, das habe ich auch schon mitbekommen, dass sich 7-klässler alkohol in ihren saft mischen und im unterricht immer daran nippen... 
teacher antwortete am 19. Feb, 12:05:
Gut, dass es Klassenstreber gibt, die ihren Geruchssinn dem Klassenvorstand zur Verfügung stellen. Jetzt muss ich allmählich an jeder Cola(-Rum)-Flasche schnüffeln (früher nur bei Skikursen nötig gewesen)... und auch die harmlosen stillen Wasserflaschen erinnern mich an Wodka-Exzesse der Studienzeit (Man merke: wie stolz ich heute noch darüber berichte!) 
Nachtblau meinte am 17. Feb, 23:45:
Mei die Kiddies von heute haben einfach zuviel Geld, in dem Alter hätte ich mir keinen Rausch leisten können 
teacher antwortete am 18. Feb, 08:53:
Ein Rausch aus dem Tetrapack war auch schon vor Jahrzehnten für alle leistbar. Und Schnorrer konnten immer auf das Mitgefühl der coolen Alphasäufer zählen.
Es muss ganz andere Gründe geben, warum immer Jüngere zur Flasche greifen. 
Nachtblau antwortete am 18. Feb, 23:03:
Einen Ansatz dazu hab ich für mein Psychologiestaatsexamen lernen dürfen:
Dadurch, dass die Jugend durch längere Ausbildung immer länger dauert, andererseits die Akzeleration immer früher einsetzt, suchen immer jüngere Jugendliche Sachen, die sie quasi zum Erwachsenen machen, das kann Alkohol, oder Zigaretten, Sex oder was auch immer sein, eben Tätigkeiten, die mit dem Erwachsensein verbunden werden. 
teacher antwortete am 19. Feb, 12:56:
Geht das als Ent-Schuldigung für die Teenies (und die Gesellschaft)durch? Das klingt ja nach einer notwendigen Phase. "Prost auf die Akzeleration!"
Ich denke, dass die Psychologie hier eine Erklärung erfindet, die unsere kranke Gesellschaft frei spricht, sich mit ihrem Nachwuchs nicht zu beschäftigen (damit sie dem Geld nachlaufen kann). 
Nachtblau antwortete am 19. Feb, 14:21:
Also ich würde nicht sagen, dass das eine erfundene Erklärung ist, ich denke schon dass daran etwas Wahres dran ist. Natürlich sollte das im Idealfall nicht heißen, dass man sich schulterzuckend dem Geschehen abwendet, sondern es wäre durchaus sinnvoll, mit den lieben Kleinen vernünftig über das Thema zu reden, und zwar so, dass sie sich ernstgenommen fühlen. Das ist aber meiner Meinung nach nicht unbedingt Sache der Schule, sondern der Eltern. "Vernünftige" oder "normale" Eltern, die sich mit ihrer Erziehungsaufgabe beschäftigen gibt es aber viel zu selten, und deswegen artet das normale Ausprobieren von Alkohol etc in solchen Sachen aus (wahrscheinlich machen das die Kinder sogar unbewusst, weil wenn sie in der Schule erwischt werden, gibts schließlich Ärger, und das bedeutet Aufmerksamkeit für sie, die sie ansonsten nicht bekommen). 
teacher antwortete am 19. Feb, 17:05:
Wäre wirklich unfair, den Psychologen absichtliches Verfälschen von Realitäten vorzuwerfen. Aber die Tendenz, die Gesellschaft (ihre Klientel) zu ent-schulden (statt in die Mangel zu nehmen) liegt ihr inne! 
mirka antwortete am 19. Feb, 19:57:
Ich hab das erste Posting von Nachtblau nicht als Versuch aufgefaßt, etwas zu entschuldigen, sondern als Versuch, es zu erklären. Bevor man einen nicht gewünschten Umstand ändern kann, muß man doch zunächst einmal verstanden haben, wie es überhaupt dazu kommen konnte.
Was mir immer wieder auffällt: sehr viele Menschen verwechseln solche Erklärungsversuche mit dem Versuch einer Entschuldigung - und an diesem Punkt geht mir dann jedesmal heftig der Hut hoch... 
teacher antwortete am 20. Feb, 17:44:
Sagen wir ruhig Erklräung dazu, der Effekt ist der gleiche: Ein Jugendlicher, der zum Alkohol greift, bekommt von psychologischer Seite eine sinnvolle Erklärung für sein Tun. Faktisch berechtigt ihn dieser besondere Umstand zum besonderen Handeln. Das halte ich für einen völlig verkehrten Ansatz. 
mirka antwortete am 20. Feb, 18:05:
Nein, ich finde nicht, daß eine Erklärung, wieso es zu einer bestimmten Handlung/Entwicklung/whatever kam, auch gleichzeitig beinhaltet, daß diese damit entschuldigt und gutgeheißen wird.

Wenn dein Auto nicht mehr fährt, mußt du doch auch erst mal rausfinden, wieso es nicht fährt (Tank leer, Motor kaputt,...), bevor du etwas dagegen unternehmen kannst. Deshalb ist es noch lange nicht okay, daß es nicht fährt, aber nur mit dem Wissen um die Ursache kannst du etwas unternehmen, um dem Übel abzuhelfen.

Sorry, ich kann einfach nicht besser erklären, wie ich das meine! :-/ 
teacher antwortete am 20. Feb, 18:33:
Leider ist im konkreten Fall die Erklärung so, dass man dagegen nichts unternehmen kann (Akzeleration, lange Ausbildung). Die armen Jugendlichen müssen weitersaufen?
Ich ziehe konkrete Maßnahmen (hohe Preise, Verbot z.B. von Alkopops oder von Alkoholverkauf an Jugendliche, Besteuerung ...) unwirksamen psychologischen Vermutungen vor. 
mirka antwortete am 20. Feb, 19:23:
Wie wär's mit der Variante "Die armen Jugendlichen brauchen Hilfe und Unterstützung"? Ich fürchte sogar, daß eigentlich die Jugendlichen schon mehr Unterstützung gebraucht hätten, als sie noch Kinder waren...
Oder bist du wirklich der Meinung, daß Verbote irgendwas nützen?? Glaubst du im Ernst, daß die aus purer Bosheit auf die schiefe Bahn geraten?? 
teacher antwortete am 20. Feb, 19:28:
Das ist gut formuliert: ... aus purer Bosheit....
Tatsächlich werfe ich es nicht den Jugendlichen vor, sie reagieren nur auf die heutige Gesellschaft. Da ich diese nicht ändern kann (höchstens ein bisserl), verlange ich zum Schutz der Gefährdetsten konkrete legistische Maßnahmen. Zuschauen will ich nicht. 
mirka antwortete am 20. Feb, 19:39:
Aaahhh ... so langsam kommen wir uns näher. Ich hab aus deinen Kommentaren eher die Haltung rausgelesen, mit der ich hier in meiner Umgebung auch immer wieder konfrontiert werde: "Die Jugend von heute taugt ja eh nix mehr, nur noch saufen, kiffen, rumhängen ... also zu MEINER Zeit..." .... bla bla bla ...
Und deshalb reagiere ich dann immer ein bißchen allergisch, wenn ich das Gefühl habe, wieder mit "so jemand" bzw. so einer Meinung zu tun zu haben...
Sorry! :-/
Ich frage mich manchmal, wieso man in dieser Gesellschaft für alles mögliche eine Befähigung in Form eines Scheins nachweisen muß (wir leben wohl doch in einer Scheinwelt) ... nur nicht dazu, Kinder zu erziehen - die darf man einfach so bekommen und mit ihnen mehr oder weniger tun, was einem beliebt... :-((( 
teacher antwortete am 21. Feb, 08:32:
Diese Einstellung "Die heutige Jugend ist nix wert" kenne ich nur zu gut. Ich könnte hunderte Gegenbeispiele aus meiner Praxis bringen. Wenn eine zunehmende Zahl an Jugendlichen nicht mehr unseren Normen entspricht, dann sollten WIR uns fragen, was WIR dagegen tun müssen. "Aus purer Bosheit" rutschen sie nicht ab. 
mirka antwortete am 22. Feb, 15:27:
Ich bin froh, daß jetzt klar ist, daß du das ebenso siehst wir ich ... es hätte mich wirklich sehr erschreckt, wenn ein Lehrer auch diese Einstellung der "heutigen Jugend" gegenüber gehabt hätte ... obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es nicht irgendwo auch diese Sorte Lehrer gibt... :-/

In diesem Zusammenhang - wenn dann tatsächlich mal jemand begriffen hat, daß etwas geschehen muß - wird dann ja auch häufig der Ruf laut, "die Schule" müßte was tun ... hast du eine wirkliche Idee, wie das gehen könnte?
Ich denke, da muß zum einen deutlich was "von ganz oben" kommen und zum anderen müssen alle an einem Strang ziehen. Die Kinder und Jugendlichen bräuchten mehr Unterstützung von der Familie, aber die Familie kann das wohl auch nur leisten, wenn sie ihrerseits mehr Unterstützung von der Gesellschaft bekommt ... und "die Gesellschaft" fühlt sich irgendwie gar nicht verantwortlich ... ein Teufelskreis... 
teacher antwortete am 22. Feb, 15:45:
Es wird viel über die heutige Jugend in den Lehrerzimmern geschimpft. Scheinbar werden die Jungen seit Jahrhunderten immer dümmer, fauler, frecher. Aber es gibt auch genug Kollegen, die viel Verständnis für ihre Schüler haben - das hält sich die Waage.
Alle Arten von Drogen aus dem Gesellschaftsleben zu verdrängen geht nicht - das sehe ich daran, dass jede Kultur ihre legalen Drogen hat. Aus Gesundheitsgründen sollten wir den Zugang für die Jüngsten möglichst schwierig machen. Zigarettenautomaten und Tankstellenshops sind da kontraproduktiv.
Wir Lehrer stehen ziemlich an der Wand. Wenn wir etwas verbieten, zeigt das mangels anerkannter Autorität (wurde bewusst abgebaut und ruiniert) kaum Wirkung. 
mirka antwortete am 22. Feb, 16:36:
Genauso oder so ähnlich hatte ich mir das vorgestellt ... ganz schön Sch**** :-/
Ich möchte jedenfalls nicht den Job mit dir tauschen, ich glaube, dazu hätte ich einfach nicht die Nerven... 
teacher antwortete am 22. Feb, 17:34:
SS-KM
Selbst Schuld - kein Mitleid.
Es gibt viel schlimmere Jobs.... 
mirka antwortete am 22. Feb, 17:37:
Da magst du durchaus recht haben ... mit denen möchte ich dann erst recht nicht tauschen... ;-))) 
 

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