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cotopaxi

 
Zufällig ist es zwölf Uhr Mittag. Fünf Stunden Unterricht in den Knochen machen sich bemerkbar: Halskratzen, Durst, Rumoren im Magen. In den Pausen blieb keine Zeit für einen heißen Tee. Oder gar etwas Festes zwischen die Zähne.
Dann trete ich in die fünfte Klasse ein und finde dort einen gedeckten Tisch, wo ich eine leere Resopal-Platte erwarte: Zwei Stück Kuchen, eine unreife Erdbeere als Verzierung, ein Becher nebst Orangensaft im Tetrapack.
"Setzen."
Ich sitze nie in den Klassen, weil das Herumschweifen im Raum Überblick und Kontrolle sichert. "Den Klassenraum muss man nach jeder Pause neu erobern", erkläre ich den Lehrer-Azubis regelmäßig.
Jetzt sitze ich hinter den Süßigkeiten und überlege. Die Schüler starren gespannt auf die Gaben, warten auf meine Reaktion.
"Hat jemand Geburtstag?"
"Nein, aber die Sandra ist Österreich-Meisterin geworden."
"Worin?"
"200 m Kraul."
"Gratuliere! ... Und das feiert ihr jetzt?!"
" ... schon den ganzen Tag. Sie kriegen die letzten zwei Stück."
Erster Biss.
"Hmm. schmeckt gut! Wer hat den gebacken?"
"Die Chrissi!"
Ich staune: Christinas Ruf schwankt zwischen intellektuellem Drüberflieger und bissiger Feministin. Chrissi am Herd?
"Wirklich? Na ehrlich?"
"Der Orangensaft ist von mir!" lenkt Sabine ab.
"Und wer hat die Idee gehabt?", möchte ich wissen.
"Eigentlich sie selber, Herr Professor!"
"Unmöglich! Ich habe nichts davon gewusst!"
"Doch, doch! Sie haben einmal erzählt von einer Klasse, die immer etwas zu feiern gefunden hat ... das hat uns gefallen."
Eine viertel Stunde ist vergangen und ich lenke langsam die Aufmerksamkeit auf meinen Lehrstoff.
"Geht doch nicht, dass ich dick werde und ihr dumm bleibt!"
"Dick und doof, hihihi ..."

 

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