Studenten landen irgendwann bei mir. Im Lehrkörper hat sich das Gerücht verbreitet, dass mein Unterricht praktisch öffentlich stattfindet, irgendwer hört immer zu. Ich habe die Scheu davor im 20. Jahrhundert gelassen, als ich während meiner didaktischen Weiterbildung eine kritische Gruppe an Fachkollegen einladen "durfte". Sie haben mich nicht "zerlegt" - wie befürchtet, sie haben mir wertvolle Tipps mitgegeben. Ich profitiere von den Rückmeldungen der Hospitierenden, die meisten Kollegen sehen das völlig anders.
So fand auch die Studentin aus Ungarn zu mir, ich kenne nicht einmal ihren Namen. Wir treten in die erste Klasse ein und ein vorlautes Kerlchen schreit "Heute haben wir zwei!" in den Raum.
Zur Aufklärung stelle ich die Studentin vor und frage so beiläufig, ob sie jemand auf Ungarisch begrüßen kann. Ein kleines, dunkelhaariges Mädchen, das ich irgendwo zwischen Thailand und Kuba eingeordnet hätte, intoniert ein paar fremde Laute nach hinten.
"Du kannst Ungarisch?", sind wir alle völlig überrascht.
"Wir sprechen das zuhause", antwortet sie in akzentfreiem Hochdeutsch.
Sie hatte schon vorher unsere Bewunderung, jetzt liegen wir flach am Boden.
Auch in der zweiten Stunde stelle ich die Frage, ob jemand Ungarisch spricht. Und wieder die große Überraschung:
"Ja, meine Eltern kommen zwar aus Rumänien, aber gehören zur ungarischen Minderheit."
Dem Anlass entsprechend betrachten wir die Migrationsströme im Europa des vergangenen Jahrhunderts: Kriege, Revolutionen, Verfolgungen. Meine magyarische Studentin stößt an die Grenzen ihrer Deutschkenntnisse, die rumänischstämmige Schülerin versucht sich in simultaner Übersetzung.
Spontane Völkerverständigung, wie ich sie liebe.
"Leute, wir leben im Herzen Europas, wir haben das Glück, viele fremde Kulturen zu beherbergen und ihr seht, wie gut das funktionieren kann."
So fand auch die Studentin aus Ungarn zu mir, ich kenne nicht einmal ihren Namen. Wir treten in die erste Klasse ein und ein vorlautes Kerlchen schreit "Heute haben wir zwei!" in den Raum.
Zur Aufklärung stelle ich die Studentin vor und frage so beiläufig, ob sie jemand auf Ungarisch begrüßen kann. Ein kleines, dunkelhaariges Mädchen, das ich irgendwo zwischen Thailand und Kuba eingeordnet hätte, intoniert ein paar fremde Laute nach hinten.
"Du kannst Ungarisch?", sind wir alle völlig überrascht.
"Wir sprechen das zuhause", antwortet sie in akzentfreiem Hochdeutsch.
Sie hatte schon vorher unsere Bewunderung, jetzt liegen wir flach am Boden.
Auch in der zweiten Stunde stelle ich die Frage, ob jemand Ungarisch spricht. Und wieder die große Überraschung:
"Ja, meine Eltern kommen zwar aus Rumänien, aber gehören zur ungarischen Minderheit."
Dem Anlass entsprechend betrachten wir die Migrationsströme im Europa des vergangenen Jahrhunderts: Kriege, Revolutionen, Verfolgungen. Meine magyarische Studentin stößt an die Grenzen ihrer Deutschkenntnisse, die rumänischstämmige Schülerin versucht sich in simultaner Übersetzung.
Spontane Völkerverständigung, wie ich sie liebe.
"Leute, wir leben im Herzen Europas, wir haben das Glück, viele fremde Kulturen zu beherbergen und ihr seht, wie gut das funktionieren kann."
teacher - am Freitag, 15. Dezember 2006, 12:01
tyndra (Gast) meinte am 15. Dez, 12:40:
wundervoll!
unterricht @ its best. wohl wenige teachers können migrationsströme des vergangenen jahrhunderts aus dem ärmel schütteln. noch weniger würden das thema ÜBERHAUPT aufgreifen.ich habe den verdacht, dass die schülerInnen in diesen stunden wohl aufmerksamer bei der sache als sonst waren - oder?
teacher antwortete am 15. Dez, 15:12:
*vielfreu*Glück gehört auch dazu: Wir haben vor wenigen Wochen 50 Jahre Ungarnaufstand gefeiert, ich habe vor kurzer Zeit Referate zum Weltkrieg, Kalten Krieg etc. korrigiert ... und wenn dann eine Studentin aus Ungarn dabei ist, dann lässt man halt seinen gesammelten Gedanken freien Lauf.
Die Schüler konzentrierten sich aufs Suchen von Wanderungsgründen, brachten ihr Vorwissen ein und ihre persönlichen Erfahrungen. Manchmal läufts halt.
tyndra (Gast) antwortete am 15. Dez, 15:43:
ja klar,
manchmal läufts halt. aber: manchmal hat mans aber auch einfach so verdient :-)
lillybet antwortete am 15. Dez, 16:15:
und du/sie...
bist/sind einer der lehrer, die es definitiv verdient haben. ich hätt mir gar oft sowas in der schule gewünscht. manchmal scheiterte es an den gegebenheiten (wir HATTEN halt einfach keine ungarische austauschstudentin oder ähnliches), manchmal aber auch am fehlenden enthusiasmus der verantwortlichen.allerdings muss ich sagen, dass unsere englischlehrer für den englandaufenthalt seinerzeit wirklich wie die löwen gekämpft haben :)
teacher antwortete am 15. Dez, 16:31:
A propos, das DU stört mich hier nicht, ich finde es sogar recht angenehm.P.S.1 : Von den vielen öden Stunden liest man hier ja weniger ...
P.S.2: Ich hab' echt mehr Spaß damit, und die Kinder lernen (trotzdem) genug, besonders wenn sie mitlachen können.
Ta-nja meinte am 16. Dez, 01:35:
es ist schon gesagt worden, aber dennoch:
sehr, sehr schön.
teacher antwortete am 16. Dez, 11:44:
Vorsicht, ich werde süchtig. :-)Ehrlich, es ist erstaunlich, wie gut diese Rückmeldungen tun. So merke ich auch, dass wir uns im Lehrkörper viel zu wenig gegenseitig ermuntern. Dort erzähle ich diese Geschichten gar nicht mehr, weil sie niemanden interessieren oder Neid erwecken (könnten).
Dazu muss ich gleich meine nächste Geschichte schreiben.
Nielsson antwortete am 16. Dez, 11:52:
Ok, wenn es sein muss, dann mache ich das halt mit der Kritik:Statt Bewunderung hätte ich ein anderes Wort gewählt, das passt da nicht so recht, finde ich.
;-))
Disclaimer: Abgesehen von meiner obigen Pflichterfüllung finde ich den Text und seinen Inhalt inspirierend.
teacher antwortete am 16. Dez, 12:21:
Gut, einen Hauch von Kritik vertrage ich noch. :-)Zur Erklärung: Das Mädel ist ein Herz von einem wunderbaren Wesen. Kindchenschema zum Quadrat, dunkeläugig, sozial, wissbegierig... Wenn ich irgend jemandem seinen Fremdenhass wegschmelzen müsste, wäre sie mein Feuer.
Nielsson antwortete am 16. Dez, 12:39:
Aufpassen! Übertreiben Sie es nicht!Für Sätze wie den letzten sind schon Literaturpreise vergeben worden!
Oder zumindest 10 Euro Zeilenhonorar, weil es in einem "1 Spruch für jeden Tag"-Buch abgedruckt wird.