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cotopaxi

 
Der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann sagt in einem Interview zu den Studentenprotesten ganz offen: "In Wirklichkeit interessiert Bildung niemanden." Das interessiert mich.

Wer sind die so genannten Stakeholder im System? Wen sollte Bildung interessieren?
Eltern, Kinder, Lehrer, Wirtschaft, Politik.

Eltern haben Wichtigeres zu tun: Sie müssen Geld verdienen, Karriere machen, sich verwirklichen. Sie wollen ihre Kinder einfach abgeben und sind froh, wenn sie ihre Ruhe haben. Daher kommt der Trend zur Ganztagsschule, zu den Nachhilfeinstituten, zum schulfreien Wochenende. Zum ganztägigen Fernsehen auch.
Übrigens: Ihre Pension bekommen sie von der Sozialversicherung. Völlig egal, was ihre Kinder einmal tun.

Kinder wollen Spaß. Es überfordert Kinder vollkommen, wenn man ihnen die langfristige Entscheidung aufbürdert, ob sie fürs spätere Leben Fremdsprachen oder Mathematik lernen wollen. Oder nicht. Sie wollen jetzt maximale Unterhaltung, sie bekommen dafür von ihren Eltern Computer, Fernseher, Handy, Taschengeld für Kino, McDonalds und Skateboards. Sie interessieren sich für Mode, Musik und alles, was - laut MTV, Hollywood und Bravo - cool und spannend ist. Latein? Chemie? Makroökonomie?
Übrigens: Das Geld kommt vom Papa, dafür ist er da.

Lehrer wollen ... aaahhhh, was wollen eigentlich Lehrer? Schule ist ihr Beruf, damit verdienen sie ihr Geld. Wie andere mit Haare schneiden, Wurst verkaufen oder Zähne reparieren. Nicht vergessen! Die idealistischen Engel, die Kinder lieben und die Welt retten, welken in den grauen Hallen schnell dahin. Lehrer haben den Drang, ihre Fächer zu verkünden, ihre Meinung zu predigen, ihre Werte zu verteilen. Bildung? Ja, besonders ihre eigene.
Übrigens: Mein Gehalt ist völlig leistungsunabhängig.

Die Wirtschaft verlangt bestenfalls Ausbildung, ökonomisch verwertbares Können. Marktwirtschaftliche Unternehmen wollen schnell schöne Gewinne erzielen, da wird nicht in langfristige und grundsätzliche Werte wie Bildung investiert. Diese steht auf der Ausgabenseite der Bilanzen, da muss man kürzen, besonders in der Krise.
Übrigens: Lernen und Bilden behindern Konsum und Arbeit.


Politiker müssen Wahlen gewinnen, alle vier Jahre. Sie machen Versprechen für das breite Volk und denken in engen Horizonten. Sie vertreten die Interessen von Parteien, Mitgliedern und Unterstützern. Kinder gehen nicht wählen, Jugendliche interessieren sich nicht für Politik, aber es gibt Millionen Pensionisten, die zur Urne drängen (makaber :-). Die Politik müsste in Jahrzehnten denken, handelt aber in Legislaturperioden. Sie müsste für die Zukunft planen, schielt aber auf die Vergangenheit, sie müsste unpopuläre Maßnahmen setzen, schmeichelt aber den Wählermassen. Bildung konzentriert sich auf schöne Sonntagsreden und bunte Zeitungsinserate.
Übrigens: Populismus funktioniert am besten bei Ungebildeten.

Bildung geht uns alle an, interessiert aber niemanden.
So schauen unsere Unis aus.
So werden unsere Schulen finanziert.
So rebellieren unsere Kinder.
simoncolumbus (Gast) meinte am 8. Dez, 20:34:
Mich interessiert Bildung!
Und ja, damit bin ich wohl in der Minderheit. Aber wenn ich heute die Studentenproteste verfolge, dann freue ich mich, dass es nicht nur um Studiengebühren geht. Die sind zwar unschön, aber das wird sich ertragen lassen. Ich freue mich, dass es auch gegen Bologna geht. Denn dieser Prozess kostet mich mit jedem Artikel, den ich darüber lese, mehr und mehr meine Lust auf's Studium. Nicht, weil pauschal alles schlechter wird. Sondern weil ich eine Optimierung des Studiums auf die Bedürfnisse der Wirtschaft sehe, die mir am Arsch vorbeigehen kann. Ich will eigentlich nur lernen. Aber ja, damit bin ich wohl in der Minderheit. 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:10:
Ich freue mich über Minderheiten.
Bologna und FHs, das gehört zum Trend: Ausbildung statt Bildung,
Menschen sollen für die Wirtschaft funktionieren statt sich selbst entwickeln zu können. 
steppenhund meinte am 8. Dez, 20:41:
Die generalisierten Meinungen sind zwar durch die Pauschalierung überzogen, aber ich stimme zu, dass in jeder Gruppe die Einstellung bei der Mehrheit anzutreffen ist. Mit Ausnahme der Lehrer vielleicht. Dort unterstelle ich etwas mehr Idealismus.
Übrigens ist die Geschichte mit dem Populismus etwas ungenau formuliert. Der funktioniert am besten bei den Dummen. Und es gibt auch "gebildete" Dumme. Leider. 
virtualmono antwortete am 9. Dez, 01:27:
Und es gibt auch "gebildete" Dumme. Leider.

Das ist richtig - leider. Aber systembedingt (weil es eben doch irgendwie am Geld hängt, wie so oft) gibt es eventuell ebensoviele oder noch mehr ungebildete Schlaue, das halte ich für das eigentliche Problem... 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:11:
Ich gebe es zu: Pauschalierungen sind überzogen.
Populismus funktioniert bei Dummen und Ungebildeten am besten. 
cbgreenwood (Gast) meinte am 8. Dez, 20:54:
Sport und Musik
... waren die Fächer meiner Eltern, insofern tatsächlich etwas für das Leben gelernt ;-) Jetzt bin ich mit einer Lehrerin Englisch/Französisch/Spanisch verheiratet. Die Schulgeschichten über Lehrer, Eltern und Kinder sowie ihre verzweifelten Kommentare bei "Bildungs"-Nachrichten in den Medien decken sich haargenau mit dem oben Geschriebenen.

Übrigens: diese ganzen Gedanken auch im Bild festgehalten, kuckst Du http://img.ly/3KC 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:14:
Super Foto-Illustration zum Thema.:-))
Die Lehrer stehen hier auf einer Front, die sie nicht gewinnen können und geben deswegen langsam auf. Wozu für Bildung kämpfen, wenn sie eh niemanden interessiert? 
Marie (chief) (Gast) meinte am 8. Dez, 21:27:
Mich interessiert Chemie! :)
"Das Geld kommt vom Papa, dafür ist er da." Kein Kommentar ;)

Ja, die wenigsten Lehrer interessieren sich für unsere Bildung. Hauptsache, sie überleben den Tag - irgendwie.

Unser Doppeljahrgang interessiert im Grunde genommen auch niemanden - außer uns, die Betroffenen.
Es haben so viele von uns Probleme. Ich sehe das selber und ein Lehrer hat mir das heute ebenfalls erzählt. 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:17:
Der Doppeljahrgang dürfte eine völlig undurchdachte Notlösung sein - das Problem wird in Österreich kaum diskutiert.
Schule funktioniert auch deswegen nicht mehr, weil Schüler und Lehrer kein gemeinsames Ziel (Bildung) mehr haben. Ich stimme zu: Es geht irgendwie ums Überleben und überleben lassen. 
freilerner (Gast) meinte am 9. Dez, 00:50:
Ganztagsschule als Kontrollinstrument
Ich sehe die Ganztagsschule nicht als Ruhepolster für die Eltern, sondern als politisch gewollt. Schrittweise Einführung, damit es nicht so weh tut. Die wenigen Kinder sollen als Erwachsene ja richtig gut funktionieren, da müssen sie schon ganztags in Form gebracht werden. Da gute Arbeitskräfte knapp werden, müssen eben beide Elternteile am besten ganztags arbeiten. Wer soll schließlich in Zukunft die vielen Alten im Seniorenheim pflegen, denkt sich die Generation, die jetzt Entscheidungsgewalt hat. Da holen wir uns doch lieber die Frauen ins Seniorenheim o.ä. und lassen deren Kinder ganztags irgendwo betreuen und auf Linie bringen. Mit den Vätern funktioniert es ja bereits erfolgreich.

Dass dabei die Bindung zwischen Eltern und Kindern verlorengeht und sich noch mehr unangepasste Verhaltensweisen zeigen werden, wird bisher nur nicht bedacht. Ist für die Zukunft vielleicht auch irrelevant - bis dahin können wir ausreichend überwacht und kontrolliert werden.
Selbst der Vorführer im Kino sieht, wer die Füße auf dem Sitz hat und kommt in den Saal, um ihn zurechtzuweisen. Das habe ich bereits im Jahr 2009 erlebt. 
Stephan (Gast) antwortete am 9. Dez, 19:33:
Da gute Bezahlung knapp ist müssen jetzt schon beide Elternteile Arbeiten gehen damit am Monatsende noch was im Kühlschrank liegt. 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:23:
Die Bindung zwischen Eltern und Kindern hat keinen Wert mehr, vielerorts eher einen Unwert: Ungebildete Eltern sind der beste Garant für ungebildete Kinder, daher muss man die Kinder diesen Eltern entziehen. Ganztagsschule macht Sinn, wo Kinder für ihre Eltern eine (zeitliche) Belastung (!) geworden sind und in anonyme (lieblose!) Verwahrung gesteckt werden müssen. Ein grausames Bild wird zum Ideal erhoben. 
stichi antwortete am 11. Dez, 09:55:
Also wir wollen mal die Kirche im Dorf lassen! Kinder, die zu Hause von ihren ganztags anwesenden, weil vom Sozialamt lebenden Eltern, vor der Glotze geparkt werden, wären sicher in einer KITA besser aufgehoben.
Kinder, die der einzige Lebensinhalt ihrer Mütter sind, und die dementsprechend unselbständig gehalten werden und als kleine Prinzen und Prinzessinnen aufwachsen, genau so.
Der Mythos von der aufopfernden Mutter und den anonymen, lieblosen Tagesstätten ist doch lächerlich. Ich kenne viele Kindergärten und Kindertagesstätten, die den Kindern soviel an sozialen Erfahrungen und an ganz unterschiedlichen Angeboten bieten, dass von einer lieblosen Verwahrung zu sprechen eine Frechheit ist. Gerade in Zeiten der zunehmenden Unfähigkeit der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, ist ein professionelle Betreuung doch Gold wert.
Manchmal beschleicht mich ein böser Verdacht: Woher kommt es wohl, dass ausgerechnet in Deutschland dieser Mythos so fest verankert ist? Und sind die Skandinavier alles Psychopathen, weil sie seit Generationen aushäusig betreut werden? Darüber sollte man einmal ein bisschen nachdenken! 
mccab99 (Gast) antwortete am 12. Dez, 11:37:
Der Vergleich mit Skandinavien hinkt
... weil z.B. die Staatsquote (Finanzierung und Qualifizierung von Personal) eine ganz andere ist. Gerne wird auch verschwiegen, dass in Skandinavien der Umgang des Staates mit bestimmten Verhaltensweisen von Kindern und Eltern ein ganz(!) anderer ist. Es gibt einen kleinen Toleranzbereich (wie übrigens auch bei den dortigen Bußgeldern bei Verkehrsdelikten) und bei Überschreitung dieses Bereiches ist der Arsch aber sowas von ab - das Geschrei mag ich mir hier in Deutschland nicht vorstellen.
Wenn wir vergleichen, dann müssen wir Systeme und Konzepte vergleichen und nicht etwa einen Teilaspekt wie z.B. "Ganztagsschule" - am besten noch ideologisch aufladen. So hat man in Deutschland erfolgreich die Gesamtschule kaputtgemacht.

Ich nehme zur Zeit für mich in Anspruch, dass ich meinen Kindern zu Hause gerechter werden kann als es eine Ganztagsschule unter den jetzigen Bedingungen je könnte. Und ich wohne auf dem Lande, wo die Welt noch in Ordnung ist und nicht in einem sozialen Brennpunkt. 
stichi antwortete am 12. Dez, 12:33:
Ich habe auf teachers Ausführungen zur lieblosen Außerhausbetreuung geantwortet. Natürlich kann man den Zustand hierzulande nicht mit Skandinavien vergleichen, aber warum wird denn kein besserer Zustand angestrebt? Weil der Mythos von der alleinseligmachenden Mutterbetreuung fest in den Köpfen sitzt und diese bessere Betreuung deshalb gar nicht gefordert werden darf, will man nicht als Rabenmutter angesehen werden. 
teacher antwortete am 12. Dez, 12:49:
Ich kenne Kitas von meinen eigenen Kindern, ich kenne Nachmittagsbetreuung von meiner eigenen Schule (10-14 Jahre), letztere ist eigentlich eine menschliche Katastrophe:
Die Kinder dürfen gerade mal am Schulgang mit Softbällen spielen.
Nicht vergessen: Unsere Schulen wurden nur zum Unterricht gebaut, nicht zum kindlichen Wohlbefinden. Kein Sport, kein Grün, keine Abwechslung, keine Erholung ... nur lieblose, graue Schulatmosphäre! 
stichi antwortete am 12. Dez, 14:50:
Ich kenne Kitas und Nachmittagsbetreuung von meinen Enkeln in Hamburg. Dort ist traditionell ein viel größeres Angebot als hier in BaWü oder Bayern, wo das CDU/CSU-Bild von der heilen Famile hochgehalten wird.
Die Kitas schaffen es, auch Kinder in Brennpunkten zu sozialisieren und trotzdem auch den "normalen" Kindern etwas zu bieten. Im Hort gibt es frisch gekochtes Essen, ein riesiges Gelände mit Spielmöglichkeiten aller Art und an drei Nachmittagen ein frei wählbares Angebot wie Handball, Theater, Tanz, Basteln etc.
Allerdings gibt es auch dort Grenzen, nämlich wenn in den entsprechenden Kindergärten dann die zu Hause "betreuten" schon völlig "verdorbenen" Kinder mit drei Jahren auftauchen und zu keiner normalen Kommunikation fähig sind. Das ist nur sehr schwer aufzufangen.
Bei mir an der Schule (BaWü) ist es eher so wie bei Euch, also eher bescheiden. 
mccab99 (Gast) antwortete am 12. Dez, 15:22:
"in den Köpfen sitzt und diese bessere Betreuung deshalb gar nicht gefordert werden darf, will man nicht als Rabenmutter angesehen werden."

Sie darf gefordert werden. Was aber nicht geschehen darf, ist ein Zwang zur Ganztagsschule. Ich möchte frei entscheiden können, ob ich für meine Kinder das Ganztagsangebot wahrnehme oder nicht. Die Skandinavier kommen sogar ohne Schulpflicht aus - der Untergang des Abendlandes! Und es muss überlegt werden, wie ein derartiges Konzept zu finanzieren ist.

In Deutschland gibt es das merkwürdige Phänomen, dass man für Geldversenkungsmaschinen auf vier Rädern oder Möbel oder Flachbildfernseher große finanzielle Belastungen auf sich nimmt, aber nicht bereit ist für eine vernünftige Ganztagsbetreuung zu zahlen oder eben dafür "Ratenkredite" aufzunehmen.

Auch da müsste man mal nach Skandinavien schauen: Die machen nahezu alles über - na: Steuern (und fahren teilweise ihre Autos bis sie bersten, wohnen weitaus bescheidener usw.). 50% Lohnsteuer sind da üblich, über unsere 19% Mehrwertssteuer lachen die und diese Steuern werden meist auch *gerne* gezahlt, weil - oh Wunder - die Gegenleistung stimmt. Im Bildungsbereich in Deutschland (1-2% zweckgebundene Mehrwertssteuererhöhung wären mehr als ausreichend) undenkbar! Föderalismus grüßt.

Das größere Problem bei der "Anstrebung eines besseren Zustandes" ist m.E. allein die Mentalität. Die neue Karre, das multimediale Wohnzimmer, die vier Handyverträge im 3-Personenhaushalt sind dann nämlich nicht mehr drin. Bildung oder Blech? 
teacher antwortete am 12. Dez, 16:09:
Kurz: Kinder, Schulen, Bildung müssen uns mehr wert sein. Ich bin auch für eine qualitativ hochwertige Ausweitung der Nachmittagsbetreuung, aber die Kinder einfach länger in die Klassen zu sperren - das passiert heute - ist ein Verbrechen! 
stichi antwortete am 12. Dez, 16:55:
Absolut d'accord! 
Gorky (Gast) meinte am 9. Dez, 01:04:
guter beitrag!
... nur eine kleine korrektur (sorry, bin selber ein besserwisser = teacher ;-) unsere werten poltiker (denke da an siggi marons song über "zwa politika") haben vor kurzem dafür gesorgt, dass sie nur mehr alle 5 jahre dem stress von nrw ausgeliefert sind... 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:24:
Das sind kleine regionale Unterschiede, aber die groben Züge decken sich länderübergreifend. 
fedor (Gast) meinte am 9. Dez, 08:40:
Aus diesen Gründen hat man uns auch die humanistische Bildung abgedreht(lächerlich gemacht,ist überholt,u.ä.)Man könnte vielleicht unangenehme Fragen stellen. 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:25:
Ja! 
ixsi (Gast) meinte am 9. Dez, 15:36:
Bildungsproblem vs. Erziehungsproblem
Passend dazu der Podcast vom Deutschlandradio:
http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2009/12/09/drk_20091209_0721_952d9eda.mp3 
teacher antwortete am 10. Dez, 08:31:
Der Mann findet eine klare Sprache, bravo. 
hajo (Gast) meinte am 10. Dez, 15:38:
Bildung
ja, teacher,
zum "übrigens" fällt mir noch ein Klassiker ein
"Strom kommt aus der Steckdose"

Dein Kommentar "Übrigens: Populismus funktioniert am besten bei Ungebildeten." ist soooo falsch nicht
.. sieht man sich das Stimmvieh an, das zu jeder Wahl seinen passenden - wenn auch nicht Schlächter, so doch wenigstens - Schröpfer/Ausbeuter sucht.

Aber: Was sind die Kriterien für "Ungebildet"? Jemand, der/die nicht weiss, in welche Hand Messer bzw. Gabel "gehören"? 
virtualmono antwortete am 11. Dez, 01:04:
Das wäre mit Sicherheit als Bildungslücke zu werten, aber Tischmanieren lernt man als Kind zuhause oder überhaupt nicht mehr. Dennoch hat Allgemeinbildung meiner Meinung nach auch ungemein viel damit zu tun, wie vielseitig der Unterricht ist.

Einen meiner besten Freunde kenne ich seit der ersten Klasse, und wir stellen immer wieder fest, daß wir so ziemlich die gleichen Dinge wissen, was die in der Schulzeit mitbekommenen Dinge angeht. 
Memniac (Gast) meinte am 10. Dez, 16:21:
Interessieren sich denn die Bildungsstreiker für Bildung?
...möchte ich als Frage ergänzen.

Ich, noch 31, habe dieses WS nochmal das Studium (Lehramt Gymnasium) begonnen.
Und was ich da so mitbekomme, ist ein permanenter Bildungsstreik. - Im wortwörtlichen Sinne.
Manches Mal möchte ich vor Scham im Boden versinken, wenn ich mitkriege, was Kommilitonen da so verzapfen an dämlichen bis dreisten Fragen (ja, dumme Fragen resp. überflüssige Fragen gibt es eben doch), generell an Dreistigkeiten, und an Faulheit.

Und genau die streiken jetzt, machen ein dickes Fass auf vom ach so schweren Studium.

Da ist z.B. der eine Kommilitone von mir. Einkläger, hat sich durch Lügen in die Vorlesungen reingemogelt als er dies noch gar nicht hätte tun dürfen, und hockt nun jedesmal da mit unverschämten Grinsen. Mitschriften erstellen? Nöööö.
Höchstens mal ein Handyfoto vom Tafelbild knipsen.
Oder die Kommilitonin, die ganz groß war beim Audimax-Besetzen und Flyer verteilen und Vorträge halten. Die uns (eine Gruppe von insgesamt 4 Mann) aber gerade kürzlich hat hängen lassen in der zu erstellenden Gruppenarbeit. Sich auf nichts gerührt hat, nicht absagt und dann nicht kommt zu festen Terminen und und und.
Und jetzt, wo die komplette Gruppenarbeit erledigt wurde von uns anderen, kommt dann die scheinheilige mail "Huch, mensch, kann ich noch was helfen?".

Derer Beispiele könnte ich Dutzende bringen.

Das Audimax (Uni HH) sieht aus wie nach einer Punk-Party. Überall liegt Müll, liegen Flaschen rum, wurde Mobiliar wild aufeinander getürmt.
Ich hab mich letztens beinahe noch schön hingelegt, als ich vorm Audimax (auf dem Weg zur Bahn) auf eine abgebrochene Bierflasche trat.

Inzwischen gibt es zahlreiche Beschwerden, da seit Wochen alle Veranstaltungen, die im Audimax stattfinden sollten, nicht stattfinden können aufgrund der Besetzung.
Ausweichräume sind nicht vorhanden.

Aber: sie kämpfen ja für Bildung, sie wollen ja lernen, all diese ach so engagierten Studenten.

(Tschuldigung, wenn an dieser Stelle leichter bis mittelschwerer Sarkasmus durchdringt ;))

Nee, da hat der gute Mann ganz recht: Bildung interessiert niemanden.

(Nicht falsch verstehen: vieles, was derzeit angeprangert wird in diesem sog. Bildungsstreik, mag anprangerungswürdig sein. Sicherlich. Aber verdammt vieles ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Und erschreckend viele der streikenden Gestalten wirken eher wie "Hauptsache, auch mal wogegen gewesen".)


Das mit den Eltern, die lieber Karriere machen, sich verwirklichen müssen und die Kinder nur als Belastung sehen, finde ich übrigens nicht fair.
Da muss ich gegen halten:
Ich hätte gerne Kinder, sehr gerne. Aber wie finanzieren, wenns nicht leistbar ist? (Liebe allein macht nicht satt).
Tja, also wirds wohl nichts. (Und wenns dann irgendwann finanziell machbar ist, bin ich so gut wie zu alt. Juhu.)
Ein Hoch an dieser Stelle auf die hervorragende Familienpolitik - sofern wir eine haben. Bin mir da nicht ganz sicher. 
stichi antwortete am 10. Dez, 17:39:
Das glaube ich aufs Wort. Ich habe gerade wieder eine Klausur korrigiert, es ist zum Auswachsen. Ich weiß nicht, was diese Herrschaften tun, während sie im Unterricht sitzen. Wahrscheinlich haben sie die Ohren verstopft, dass nicht aus Versehen ein chemischer Gedanke ihr Hirn streift.
Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden sie alle ihr Abitur bestehen. Man müsste sie eine eidestattliche Erklärung unterschreiben lassen, dass sie nirgends verraten, woher sie ihr Abi haben. Man ist blamiert bis auf die Knochen!
Dies gilt natürlich wie immer nicht für alle, aber leider für immer mehr!! Ich weiß nicht wozu man Abiturienten "produzieren" muss, die nicht in der Lage sind, zu studieren. 
karen (Gast) antwortete am 11. Dez, 00:15:
@stichi: ganz einfach, man entwirft studiengänge die auch für diese abiturienten zu stemmen sind. das niveau an den unis hier in deutschland ist unter aller sau. wirkliches interesse am fach, an zusammenhängen, an hintergründen? ist nicht vorhanden und wird nicht eingefordert. 
stefan (Gast) antwortete am 11. Dez, 15:27:
Mitschrift vs. Tafel abfotografieren
Für manche ist es sinnvoller, die Tafel abzufotografieren, als mitzuschreiben. Ich habe mitschreiben schon in der Schule gehasst.

Gute Vorlesungen haben eh ein Skriptum oder halten sich an ein Buch. Mitschreiben hindert am Mitdenken. 
Memniac (Gast) antwortete am 11. Dez, 17:22:
Es soll durchaus Menschen geben...
...die mitschreiben UND mitdenken können. ;)
Das geht bei diesem Prof, dank entsprechenden Vorlesungsstils, hervorragend.

Schade ist allerdings, dass eine gute Vorlesung herabgewürdigt wird (werden soll), nur weil sie den Studenten die Inhalte nicht in kleingeschnittenen Häppchen (aka Skriptum) serviert.

Wie sagt dieser Prof immer? "Durch das Anfertigen Ihrer Notizen prägen Sie sich die Inhalte besser ein."

Hat er da so Unrecht?

Nicht falsch verstehen: dieser Prof ist in meinem Semester bislang der Einzige, der nicht auf die Möglichkeiten des Internets, auf virtuelle Plattformen und Powerpoint-Präsentationen, die zum Download bereitgestellt werden, zurück greift.
Ist eben ein Prof der älteren Generation. Das macht er durch seine Vorlesungen, die mir jede Woche erneut Respekt abringen (2 Stunden freisprechend, klar strukturiert, durchdacht, gut mitzuverfolgen - ob nun schreibend und/oder denkend ;)) aber wieder wett. (Da kann so manch einer mit seinen ach-so-tollen Folien nicht mithalten)


Ich finde es jedenfalls schade, dass erschreckend Viele nur noch auf möglichst bequeme Weise den Stoff vor die Füße geworfen bekommen möchten. Bloß keinen Finger krumm machen (außer eben einmal für's Drücken des Kameraauslösers), man könnte sich ja übernehmen...
(Am Liebsten gar nicht erst zur Vorlesung erscheinen müssen. Böse Anwesenheitspflicht und so....) 
teacher antwortete am 12. Dez, 11:33:
Beim individuellen Mitschreiben (nicht beim Abschreiben) wird bereits sehr viel intellektuelle Arbeit geleistet (Abstrahieren, Generalisieren, Strukturieren ...) - das Abfotografieren ist wirkungslos. Am meisten lernt man aber beim eigenen Schreiben/Tun, dagegen ist das Auswendig/Lernen von Skripten relativ witzlos. 
ketzerkatze (Gast) meinte am 11. Dez, 20:00:
Selbstverwirklichung ...
DAS geht offensichtlich gegen lohnarbeitende Frauen. Männer _arbeiten_, Frauen "verwirklichen sich".

Schon einmal daran gedacht, dass der Lohn EINES Verdieners schon lange nicht mehr reicht - nicht für Ibiza-Urlaube oder Zweitauto, sondern fürs normale Überleben? Ganz davon abgesehen, dass die meisten Frauen eben nicht in schicken Boutiquen oder angesagten Cafes arbeiten, sondern an der Kasse beim Aldi, am Band oder in der Telefonzentrale. "Selbstverwirklichung"? Nö, harte Arbeit - nur schlechter bezahlt als die der Männer.

Es ist nicht mehr 1970, Kuschelland ist abgebrannt - und damit auch Muttiamherd.

Wir müssen zukunftsfähige Strukturen erdenken und schaffen, in denen Bildung, Erziehung, Geborgenheit und Herausforderung für alle - Kinder, Erwachsene und SeniorInnen - möglich sind und tatsächlich stattfinden. Träumereien von putzenden, kochenden und herzenden Muttileins sind dabei eher kontraproduktiv. 
teacher antwortete am 12. Dez, 11:52:
Von mir kommt diese gender-Unterscheidung nicht. Ich denke da auch an Männer, die sich als Künstler, im Sabbatical etc. verwirklichen.
P.S. Das Kuschelland ist noch nicht abgebrannt. Früher haben sich die Männer von "Mutti" verwöhnen lassen, jetzt sind es die Kinder (bis 35!). 
kraM meinte am 11. Dez, 20:16:
eigentlich hasse ich populistische und verallgemeinernde texte dieser art, aber dieser hat doch sehr viel wahrheit. im ersten im moment ist das aber tatsächlich eine sehr schmerzhafte einsicht. wenn man aber sieht, dass bei den streiks die meisten studenten gar nicht mitmachen, dass das ganze eine sehr schlechte resonanz unter den akut betroffenen hat, wird es umso bitterer. 
teacher antwortete am 12. Dez, 11:54:
Ja, es liegen viele Schwächen in der Verallgemeinerung, aber ich habe die zusammenfassende Meinung eines sehr schlau denkenden Philosophen interpretiert ... 
kraM antwortete am 12. Dez, 18:49:
und das hast du auch gut gemacht, ich habe es nicht kritisiert. ;) 
teacher antwortete am 12. Dez, 19:00:
Merci.
Aber ich fühle mich wegen der groben Verallgemeinerungen ein bissi schuldig ... 
Thorsten S. (Gast) meinte am 12. Dez, 11:33:
bisschen einfach
Den Artikel finde ich ein wenig schwarz / weiß gemalt. Einfaches Schubladendenken: die Eltern, die Schüler, die Politiker...
Ich glaube das Thema müsste man ein bisschen differenzierter sehen, "die Welt" ist nicht so einfach.
Aber, er regt zur Diskussion an und das finde ich wiederum gut.

Freundlich grüßt

Thorsten 
teacher antwortete am 12. Dez, 11:54:
Genau so ist es. 
mccab99 (Gast) meinte am 12. Dez, 11:52:
Die Lösung ist einfach
... und heißt Solidarität. Solidarität unter Lehrenden z.B. - dagegen sind qualifizierte Arbeiter die Quadratur der Solidarität, obwohl oder weil sie viel mehr zu verlieren haben als Lehrkräfte. Und worüber reden die Lehrerverbände? 50% Vergütung, 25% Arbeitszeit, 20% Arbeitsbedingungen - ach ja, und so 5% noch bisschen Pädagogik/Didaktik. Und wenn selbige dann notgedrungen "von den weltfernen Unis" kommt, dann geht das ja gar nicht...

Einen kann man immer in die Mangel nehmen, auch wenn der eine sich formal korrekt verhält. Bei 100-200 ist das bestimmt schon eine größere Herausforderung. Was wäre eigentlich, wenn sich ein Kollegium z.B. in Sachen "Disziplinvorstellungen" solidarisch zeigte? Würde das Leben an dieser Schule

[ ] leichter
[ ] schwerer

?

Die Position der Lehrkräfte wird objektiv immer stärker, weil selbige immer knapper werden. Subjektiv scheint jeder zu sagen: Ach ja - ich kann ja doch nichts machen. Die "68er"-Lehrer waren z.B. politisch motiviert und habe dadurch Spuren hinterlassen. Heute findet die Selbstverwirklichung der Engagierten oft nur im eigenen Unterricht statt. Davon wird bloß die Institution "Schule" nicht besser - und jammern darf man dann darüber auch nicht - nach meiner Meinung. 
teacher antwortete am 12. Dez, 12:43:
LehrerInnen sind nach wie vor große Individualisten, weil sie keine geschlossene Gruppe bilden. Ein Chemiker hat mit einem Religionslehrer sehr, sehr wenige Berührungspunkte. Ausserdem arbeiten sie nicht miteinander, sondern mit Schülern.
Wir haben den gleichen Beruf, sind aber keine Gemeinschaft. 
mccab99 (Gast) antwortete am 12. Dez, 13:13:
"Außerdem arbeiten sie nicht miteinander, sondern mit Schülern."

Wie wäre es denn, wenn wir miteinander mit Schülern arbeiteten? Wenn das keine Gemeinsamkeit ist, dann weiß ich auch nicht. Individualisten werden Institutionen nicht ändern. Aber Individualisten können sich ändern - das beeinflusst jeder Individualist schließlich selbst.

Aber bitte - Wozu Feinde, wenn man sich selber hat?
http://riecken.de/index.php/2009/11/wozu-feinde-wenn-man-sich-selber-hat/

Und wenn es an der eigenen Schule mit der Solidarität nicht klappt - im Netz klappt es (bei mir). 
teacher antwortete am 12. Dez, 13:16:
Ich bin ja ganz für diesen Solidaritäts-Ansatz, habe aber nur beschränkt gute Erfahrungen damit gemacht.
Übrigens: Danke für den link zu rieken.de - lesenswert. 
mccab99 (Gast) antwortete am 12. Dez, 13:43:
"Übrigens: Danke für den Link zu riecken.de - lesenswert. "

Für mich selbst mache ich immer gerne Werbung! Danke. 
teacher antwortete am 12. Dez, 19:02:
Trotzdem lesenswert :-)) 
stichi antwortete am 13. Dez, 21:49:
Sagt mal, spinn ich oder fehlt hier ein großer Teil der letzten Beiträge?
Nicht dass ich sie vermissen würde, aber ich bin etwas irritiert. 
Memniac (Gast) antwortete am 13. Dez, 22:09:
Jepp...
...is' wech. Fiel mir auch vorhin auf. ;) 
Der_Eisenschmyd antwortete am 14. Dez, 10:56:
Solidarität
Lieder sagen manchmal mehr als Worte...

http://www.youtube.com/watch?v=hJfEpWfHQKI 
teacher antwortete am 14. Dez, 14:27:
Fehlt wirklich was? Ist mir nicht aufgefallen.
Und -blöderweise - sichere ich nix ab. Hab ja volles Vertrauen in cloud computing, wo alle irgendwo in Sicherheit ist. Aber wo bloß?

@ton steine scherben: Das ist ehrlicher Rock. Da weiß ich wieder die gute alte Zeit zu schätzen. 
 

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