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cotopaxi

 
Bei der Reifeprüfung doziert Jenny über ihr selbst gewähltes Spezialgebiet: "Fair trade."
Meine Zwischenfrage: "Wer kontrolliert denn die Einhaltung der Regeln?"
Jenny: "Da wurde ein eigenes Unternehmen ausgegliedert. Damit sich die Leute nicht selbst überprüfen."
"Aha. Da dürfte ich dich hier gar nicht beurteilen, oder?"
Jenny überlegt: "... stimmt eigentlich."
Die unabhängige Kommission (Vorsitzender, Direktor) gibt körpersprachlich zu bedenken, dass sie auch noch da wäre.
Eh.

Seit Jahren beobachte ich Unterricht, Schulsystem, SchülerInnen und KollegInnen. Bis ins Detail. Blogge und warte auf Interpretationen und Einwände. Natürlich werde ich auch gefragt, was ich denn reformieren würde. Langsam taste ich mich zu eigenen Vorschlägen vor.

Vorschlag 1: Beurteilung

Lehrer sollen unterrichten.
Testen, evaluieren und beurteilen sollen andere: Unabhängige. Externe. Unparteiische Schiedsrichter.

Dafür muss es einen genauen Zielkatalog geben: Was sollen Kinder in welchem Alter beherrschen? Diese Entscheidung überlassen wir nicht mehr dem einzelnen Lehrer, weder der 25-jährigen Uni-Absolventin, die noch nicht über den Tellerrand hinausschauen kann, noch dem 55-jährigen Oberstudienrat, der seit Jahren keine Uni mehr von innen gesehen hat. Der Zielkatalog mit konkreten Aufgabenstellungen wird landesweit von praxisbewährten ExpertInnen regelmäßig fortgeführt und zwingt alle zur permanenten Fortbildung. Ende des Stillstandes. Ende der Beliebigkeit. Ende der Subjektivität.

Zum Fragenkatalog werden gleich Wege zur Lösung mitgeliefert. Beispiele, Erklärungen, Anleitungen, Übungen, Verlinkungen, Material. Für alle Beteiligten liegt alles offen im Internet vorrätig: Wer nicht zur Schule kommen kann, der lernt zuhause. Wenn Eltern helfen wollen, schauen sie nach. Wer Lehrerunterstützung einholen will, geht zur Schule. Es gibt kein geheimes Wissen, keine geheimen Fragen, keine unfairen Animositäten. Vollständige Transparenz.

Am Ende des Jahres und nach Abschluss einer Schulform (Grundschule, Mittelstufe, Reifeprüfung) treten die SchülerInnen zum nationalen Test an. Geprüft wird nachhaltiges Wissen und Können. On- oder offline. Korrigiert wird zentral und anonym. Am Ende steht ein klares Urteil in Prozentziffern: "Du hast 73 % der Anforderungen richtig erfüllt." Keine Note, kein Durchfallen. Wer sich verbessern will, tritt noch einmal an. Für Resultate unter 50 % werden Förderkurse verpflichtend.

Bitte um Einwände.

P.S.: Natürlich hätte ich als Lehrer weniger Vorbereitungs - und Prüfungsarbeit. Dafür wäre ich gerne ein paar Stunden mehr in den Klassen.
h.v.d. meinte am 7. Sep, 09:37:
(Die Frage ist für mich, ob ein so faires Schulsystem in unser unfaires Wirtschaftssystem hineinpasst.)

Prozentzahlen wären ein großer Schritt gegenüber der leidigen Noten, die sehr verstaubt daherkommen und nicht praxistauglich sind.

Gute Idee insgesamt, finde ich. 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:45:
Sollen wir auf eine unfaire Gesellschaft vorbereiten?
Das tun wir schon :-) 
emu (Gast) antwortete am 7. Sep, 17:52:
Prozentzahlen sind auch nicht besser als Noten, solange sie nicht testtheoretisch fundiert und extern vergeben werden. Sonst kann man gleich bei den fünf Schulnoten bleiben, die zumindest etwas weniger als Prozentwerte Objektivität und Validität vorgeben. 
teacher antwortete am 8. Sep, 10:13:
Hier erwarte ich mir Quantensprünge nach vorne: Endlich könnten sich Spezialisten unter den Lehrern herausbilden, die sich auf Testverfahren konzentrieren - bisher wird da ja herumdilettiert (und ich zähle mich zu den halbgebildeten Testdilettanten, weil die Erstellung und Auswertung von Tests eine eigene Wissenschaft geworden ist). 
Stefan (Gast) meinte am 7. Sep, 09:43:
Gute Idee
Die Idee der unabhängigen Beurteilung finde ich sehr gut und längst überfällig. Aber einen kleinen Einwand hätte ich dennoch.
Wenn ein Schüler die erforderlichen Anforderungen nicht schafft, kann das nicht auch am Lehrer liegen? Sollte der dann nicht auch "sitzen bleiben"?
Bei Fahrlehrern gibt es ja auch eine Quote. Wäre sowas nicht auch für Schullehrer sinnvoll? Dann hätten diese auch ein Feedback und einen Anreiz, ihre Lehrmethoden zu optimieren.
Gruß
Stefan 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:15:
Guter Einwand.
Der Vorteil gegenüber heute wäre, dass sich Schüler und Eltern gegen schwache, faule LehrerInnen schnell wehren würden. Heute ist es den allermeisten nur recht, wenn nicht allzuviel gefordert wird.

P.S.: Ich wusste nicht, dass Fahrlehrer zur Veranwortung gezogen werden, wenn sie schlechte Arbeit machen. Ist das so? 
Stefan (Gast) antwortete am 7. Sep, 17:11:
Zur Verantwortung nicht. Aber bei ihnen lässt sich aufgrund der 1:1-Beziehung ganz einfach Durchfallquoten erstellen. 
gulogulo meinte am 7. Sep, 09:50:
wie benotet man eine deutschschularbeit in prozent?

weils mir grad einfällt ... klick 
h.v.d. antwortete am 7. Sep, 10:00:
Gerade Deutschschularbeiten rufen nach einer prozentualen Auswertung, weil sie leicht auf mehreren Ebenen beurteilt werden könn(t)en (was Deutschlehrer leider meist vernachlässigen):

- Rechtschreibung und Grammatik
- Stilistische Qualität
- Innovationskraft
- Struktur des Textes
- Themenbehandlung

Wenn das auf Skalen schön festgemacht wird, kann der Lehrer auch transparent eine Note begründen - ein Angebot, das beiden Seiten dienen würde. 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:19:
Solche Schablonen können für alle Fächer entworfen und transparent gemacht werden (es gibt schon etliche davon) - trotzdem bleiben natürlich subjektive Gewichtungen. 
h.v.d. antwortete am 7. Sep, 14:47:
Eine subjektive Gewichtung funktioniert besser, wenn sie mehrere Gewichte verwendet - das ist nicht anders als bei einer Goldwaage. 
rebhuhn meinte am 7. Sep, 10:06:
[ich denke, daß der ansatz gut ist und möchte gern die kommentare abonnieren, daher dieser eintrag - ich hab' eben noch keine richtige eigenmeinung.] 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:21:
Solche Einträge liebe ich, ehrlich. Jemand, der sagt, ich will mir erst eine Meinung bilden, der sich Zeit lässt und überlegt ... kriegt bei mir 20 Punkte von 20! 
charlotte sometimes (Gast) meinte am 7. Sep, 11:57:
bei uns an der uni ist das so ähnlich: 1. Bewertung durch den Kursleiter, 2. Bewertung durch einen externen Prüfer der schaut ob die note angemessen ist (ist sie normalerweise +- 2 Punkte. Fällt die Bewertung komplett anders aus, geht es an einen weiteren Unabängigen, der vom Studenten Netzwerk gestellt wird und der die Endnote gibt. 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:21:
Warum die Erstbewertung durch den Kursleiter? Ist da nicht der Aufwand verdoppelt? 
charlotte sometimes (Gast) antwortete am 8. Sep, 11:36:
Nee das passt schon, er ist ja auch derjenige der den Kurs unterrichtet und daher auf individuelle Schwächen besser hinweisen kann. die Bewertung ist eh anonym, das heißt, er weiß zum Zeitpunkt der Bewertung nicht wer da bewertet wird. erst beim abholen durch die Prüfungsnummer sieht man es dann und kann Fehler etc. besprechen. Der dritte Prüfer kommt wie gesagt nur in Härtefällen ins Spiel. Der zweite ist Kontrollorgan. 
charlotte sometimes (Gast) antwortete am 8. Sep, 11:39:
Habe vergessen: ein Raster nach dem bewertet wird gibt es auch. Unterteilt in Stil, Inhalt, Rechtschreibung und Grammatik, Recherche und Quellenangaben. Daraus errechnet sich dann die gesammt note. Dazu gibt es ein Blatt mit anmerkungen was gut war und wo es hakt. 
teacher antwortete am 8. Sep, 15:46:
Das klingt alles sehr vernünftig und ist an den Unis, die ich kenne, bei weitem nicht Standard. 
cypher (Gast) meinte am 7. Sep, 12:12:
Guter Gedanke
nicht neu aber wie ich finde nicht der schlechteste Ansatz.
Was bei einem solchen Bewertungskatalog dann rauskommt und wie sinnvoll und passend es sein würde ist natürlich angesichts ähnlicher Vorgänge in Politik und Wirtschaft heutzutage fraglich aber das ist ne andere Baustelle.
Eine unabhängige und vor allen Dingen anonyme Bewertung fände ich gut.
Ich habe es schonmal erlebt wie ein Lehrer in der Erwachsenenbildung der kurz vor dem Ruhestand seine Narrenfreiheit dazu nutzte die Teilnehmer mit Spitznamen anredete weil ihm Namen lernen lästig war und so bei den Auswertungen auch soetwas Anonymität herrschte. Es war für manchen nicht das schlechteste das persönliche Eindrücke bei der Bewertung der Leistung keine Rolle spielten.
Aber auch bei pädagogisch weniger bedenklichen Lehrkräften ist der psychologische Aspekt nicht zu unterschätzen.

http://www.tagesspiegel.de/wissen/immer-noch-schlechtere-noten-fuer-kevin/1910346.html

Anonymität wäre also ein guter Schritt. Die Sache mit dem Katalog auch da sie zumindest Transparenz schaffen würde. Wie schnell sich so ein Katalog anpassen muss und wie kompetent die Ersteller eines solchen ausfallen würden wäre dann der nächste Punkt. 
gulogulo antwortete am 7. Sep, 12:59:
@ kevin: die lehrer können nichts dafür. da sind eher die eltern schuld
teacher antwortete am 7. Sep, 14:23:
Diese Vorurteile treffen natürlich nicht nur LehrerInnen! 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:37:
@gu: Genialer Link!!! 
la-mamma meinte am 7. Sep, 13:49:
da gibt's keinen einwand,
das ist äußerst wünschenswert. soll etliche länder geben, wo das auch schon so ist:) 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:37:
Ehrlich? Wo? Kennst du sowas? 
la-mamma antwortete am 7. Sep, 14:57:
ja schon,
dass ich (als mutter) mit dem lycee francais recht zufrieden bin, ist ja kein geheimnis.
dort ist es definitiv so, dass die prüfungsfragen für alle gleich zentral gestellt werden.
und soweit ich weiß, handhaben es beispielsweise auch die polnischen höheren schulen so. 
teacher antwortete am 7. Sep, 15:04:
Ja, das französische System ist so ähnlich. 20 Noten kommen auch einem Prozentsystem sehr nahe, die anonyme Zentralmatura auch.
Fehlen noch die transparenten Unterlagen und Aufgaben (dafür gibt es aber einen Haufen Bücher in Frankreich). 
la-mamma antwortete am 7. Sep, 19:35:
es sind eigentlich keine 20 "noten", die skala geht halt von eins bis zwanzig. und ein 14,5 kann dabei schon ein ausgezeichneter wert sein, das kommt dann eben darauf an;-)
puncto unterlagen seh ich eigentlich keine probleme. die schulbuchladen* (=verpflichtendes weitergeben) funktionieren jedenfalls zumindest in dem kleinen abgeschlossenen system hier und was die einzelnen lehrer machen scheint mir auch nicht unter intransparent zu fallen -

* die gratisschulbücher halte ich z.b. im österr. system auch für schwere geldvernichtung ... 
teacher antwortete am 8. Sep, 10:15:
Bitte als ins WWW - und eReader/eBooks/Ipads an die Schüler!!! 
El Loco antwortete am 22. Sep, 15:45:
Das französische System mag in der Theorie brillieren, scheitert in der Praxis aber an den Lehrern... nur zur Erinnerung: alles unter 10 ist nicht genügend. Alles über 15 ist aber so selten, daß in der Inspection Académique ein Strich in den Kalender gemacht wird. Somit ergibt sich in der Praxis ein weites Feld, nicht genügende Leistungen zu benoten, und ein schmaler Streifen für alle Prädikatsnoten.
Die Gegenkritik an den 20 Noten - die oft noch durch Kommastellen verfeinert werden - ist nicht von der Hand zu weisen: gerade in Sprachen und geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist der Unterschied zwischen einer 11 und einer 13 schon kaum zu begründen, um so weniger zwischen einer 11 und einer 11,5. In allen Fächern bleibt die Bewertung der Schwierigkeit einer Aufgabe dem Korrektor überlassen und wird - außer beim Zentralabitur und beim "Brevet", dem Abschluß der Mittelschule - auch nicht zentral kontrolliert.
Außerdem bringts ein möglicherweise brillantes Bewertungssystem überhaupt nicht, wenn die Vermittlung der Inhalte nichts taugt. Gerade in Sprachen kann man feststellen, daß die Professoren der Universitäten oftmals mit einem deutschen Neuntkläßler nicht mithalten können! Das gesamte französische Schulsystem ist bestenfalls auf dem Niveau der USA - und deren Bachelors of Art würden ein deutsches Abitur nicht bestehen. Französische "Licence"-Inhaber auch nicht.
Das liegt nicht zuletzt daran, daß französische Lehrer gemeinhin kein eigenständiges Denken wünschen - und Abiturienten dann fragen, "ja, Herr Lehrer, ist dieses Gedicht denn nun schön?", und Master-Studenten, "wie soll ich denn auf eine Abschlußarbeit hinlernen?"

Und ich weiß, leider, wovon ich rede - ich habe hier studiert (und dabei die Füße hochgelegt, weil ich mein Grundstudium in Deutschland absolviert hatte). 
teacher antwortete am 22. Sep, 17:39:
Vllt ist das dt. Schulsystem doch nicht so schlecht?

Ich möchte zentrale Tests mit vielen kleinen Fragen (multiple choice - Art) und alles, was man schwer testen kann (Kreativität, Denken ...) in portfolio-Form präsentiert haben. 
Julius (Gast) meinte am 7. Sep, 14:19:
Einheitsschule für alle!
Prima, dann trimmen wir alle auf die zu erreichenden Kompetenzen. Im Einheitsschritt geht's voran; wer die Kompetenzen nicht schafft oder eigentlich schneller ist, denn kriegen wir auch noch konform! 
teacher antwortete am 7. Sep, 14:41:
Guter Einwand.
Aber jetzt bestimmt irgendein Lehrer über die Kompetenzen, besser gesagt über den Stoff der 80er-Jahre. Oder die Schüler sollen sich am eigenen Schopf aus der Misere ziehen.

Sicherlich gehören auch Fächer und Unterrichtstteile angeboten, die den individuellen Interessen der SchülerInnen entsprechen - aber auch da ist z.B. in Form von Portfolia, vorwissenschaftlichen Arbeiten, künstlerischen Mappen ... die Kontrolle extern anzulegen. 
virtualmono meinte am 7. Sep, 19:06:
Prima Idee - in der Fahrschule prüft ja schließlich auch nicht der Fahrlehrer (aus gutem Grund..). 
teacher antwortete am 8. Sep, 10:32:
Genau. 
Karl Eduard (Gast) meinte am 7. Sep, 19:08:
Fair Trade?
Ist das eine Baumschule? Früher wurden wir in Wissenschaften geprüft. Physik, Chemie, Biologie, Mathematik ... . Nicht im Wohlfühlen. Meine Güte, was bringt Ihr den Kindern bloß bei. Fair Trade. Und dann auch noch selbstgewählt. 
teacher antwortete am 8. Sep, 10:20:
Solche Spezialgebiete dürfen (müssen) von den SchülerInnen selbst gewählt werden: Fair Trade ist ein gutes, fächerübergreifendes, ökonomisch-ökologisch zukunftsträchtiges Thema. War super gemacht. 
Karl Eduard (Gast) antwortete am 10. Sep, 14:28:
Wir müssen nur annehmen, der Mensch ist von Grunde auf edel und gut. Ich fand es nur etwas seltsam, was jetzt so gelehrt wird. 
teacher antwortete am 10. Sep, 14:59:
Wenn Erwachsene über Schule reden, denken sie meist an ihre eigenen Erfahrungen zurück. Viele können sich nicht vorstellen, was und wie viel sich verändert hat. Alleine, dass jeder Schüler bei der Reifeprüfung in jedem Prüfungsgebiet (Fach) ein selbst gewähltes Thema bespricht, ist für Aussenstehende eine kleine Revolution. 
BIA (Gast) antwortete am 22. Sep, 18:35:
Vor 130 Jahren haben's "Unsere deutschen Kolonien" gelernt - Lerninhalte anderer Generationen wirken manchmal leicht seltsam. 
steff (Gast) meinte am 7. Sep, 19:47:
was mir ein zentralen Prüfungen nicht gefällt, ist dass dann nur noch für die Prüfungen gelernt wird, nur noch die Themen von den man weißt, dass sie gefragt werden. Spontanes, aktuelles oder auch das was die Klasse/den einzelnen besonders interessiert geht dabei unter, denn das wird ja nicht in den Prüfungen gefragt und es ist doch viel besser die Zeit mit "Prüfungsvorbereitung" zu nutzen. Das ist das was in Amerika mit den standardisierten Test gemacht wird. Einzelne Talente können so viel schlechter gefördert werden.

Aber gefall tut mir an den zentralen Prüfungen die fairness. 
stichi antwortete am 7. Sep, 22:20:
Wir haben ja seit langer Zeit eine zentrale Abiturprüfung. Ich finde die auch gut, weil wenigstens bis vor einiger Zeit auf diese Weise überprüft wurde, ob ein gewisser Standard erreicht wird. ABER!!! die Vorstellung, dass diese Prüfung absolut gerecht ist, ist natürlich utopisch. Erst nach der letzten Abiprüfung kam ein Schüler zu mir, den ich von Klasse 9 bis 11 in Chemie unterrichtet hatte.
Er war ganz euphorisch und bedankte sich sehr bei mir, weil in der Chemie-Abi-Prüfung nach einem Versuch gefragt wurde, den die Schüler bei mir ZUFÄLLIG im Praktikum durchgeführt hatten und den wir damals ausführlichst diskutiert hatten.(Es handelte sich nicht um einen Standardversuch, von dem man annehmen konnte, dass ihn jeder Schüler schon mal gesehen hatte)
Was ich damit sagen will: für diese Schüler war es leicht, die Fragen zu beantworten, weil sie per Zufall exakt den Versuch selbst durchgeführt hatten.
Die gleiche Frage ist für einen Schüler, der den entsprechenden Sachverhalt an einem anderen Beispiel gelernt hat, ungleich schwerer zu beantworten, da es einen Transfer erfordert. Was ist hier jetzt besonders fair??
Zum zweite wird hier in den letzten Jahren ja angestrebt, "Output-orientiert" zu unterrichten (klingt auch bei teacher ein bisschen an). Es sollen vom Schüler bestimmte Kompetenzen erreicht werden, Wissen ist angeblich nicht mehr wichtig! Das führt dazu, dass man in den Abiaufgaben eigentlich nichts Konkretes mehr fragen kann. Also steht im Prinzip alles im Text und ein Schüler muss eigentlich nur sinnerfassend lesen können und er kann die Aufgaben völlig ohne Vorkenntnisse beantworten. Wie ein solcher Schüler ein Studium bewältigen soll, ist mir schleierhaft. Es wird immer so getan, als sei grundsätzliches Wissen nicht mehr nötig, weil ja alles im Internet zu finden ist. Komisch, dass kein Mensch auf die Idee gekommen ist, ein Kind , nachdem es Lesen gelernt hat, einfach in eine Bibliothek zu setzen und ihm zu sagen, da würde es ja alles finden, also müsse es nichts mehr wissen. 
teacher antwortete am 8. Sep, 10:31:
Ich hätte gerne, dass jeder Schüler weiß, wie die Fragestellungen (und Ideallösungen) am Ende ausschauen - da gäbe es keine Überraschungen mehr. Z.B. gab es für Externistenprüfungen in Österreich (inoffiziell) eine Liste von ca. 200 Fragen für Geographie (Reifeprüfung), die in ähnlicher Form tatsächlich gestellt wurden. Transfer wurde angestrebt. Die Ziele (Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Analysen, Beurteilung etc.) wurden gemischt, sodass rein auswendig gelerntes Wissen nicht reichte, man musste z.B. auch mit Karten (Maßstab, Signaturen etc.) umgehen können oder Statistiken richtig interpretieren und graphisch aufbereiten. 
Nick (Gast) meinte am 7. Sep, 23:48:
Zentrale Prüfungen sind grade in den Geisteswissenschaften heikel. Leider wir bei unserem Zentralabitur gleich die "Lösung" einer Interpretation bis hin zur kritischen Stellungnahme im Erwartungshorizont zentral festgelegt. Interpretiert und analysiert ein Schüler/eine Schülerin schlüssig, aber eben in eine andere Richtung, müssen ihr/ihm schon Punkte "untergeschoben" werden.
Grade die eigene Reflexionsleistung lässt sich schwer zentral prüfen und in diesen vorgefertigten Erwartungshorizonten messen.
Natürlich schreibe ich vor den Klausuren selbst Horizonte, die aber bei Bedarf (z.B. schlüssiger, aber von mir einfach nicht erwarteter Argumentationsgang in Philosophie) angepasst werden können.
Standardisierungen bei reiner Textanalyse ist m.E. aber sinnvoll. 
teacher antwortete am 8. Sep, 10:34:
Ich glaube auch, dass man zusätzliche Freiräume schaffen muss, z.B. für kreative Lösungen. 
Jonas (Gast) meinte am 8. Sep, 15:19:
Konsequenzen?
Ich finde den Ansatz grundsätzlich gut, allerdings müsste man aus meiner Sicht als nächstes an den Konsequenzen arbeiten, die dies für alle Beteiligten hat. Für den Schüler steht viel auf dem Spiel, nämlich die Prüfung bzw. der Prüfungserfolg. Für den Lehrer... (in Deutschland) nichts. Absolut nichts. Als Beamter muss man sich da wenig Sorgen machen. Selbst wenn von seinem Abschlussjahrgang dann ein erheblicher Teil durchfällt muss er sich keine Gedanken machen. Eine Evaluation des Unterrichtserfolges müsste daher auch stattfinden. Natürlich ist klar, dass der Lehrer nicht unbedingt für ein Versagen eines Schülers haftbar sein muss. Aber z.B. über ein Mehrjahresmittel sollte es schon Grenzwerte geben, bei deren Überschreiten das Vorgehen des Lehrers evaluiert wird. Aber für die Prüflinge ist dann das Kind ja schon in den Brunnen gefallen. 
teacher antwortete am 8. Sep, 15:51:
Ja, die Leistungen der Lehrer gehören ebenso evaluiert. An die Ergebnisse der Schüler würde ich das nicht gerne binden, sonst will ja niemand mehr in schwierigen Zonen arbeiten - genau dort aber sollten die Besten hingelockt werden.

P.S.: Viele Studien zeigen, dass die Erfolge der SchülerInnen relativ wenig von der Arbeit der LehrerInnen abhängen.

P.P.S: Es ist ganz wichtig, dass die SchülerInnen sehr früh erfahren, dass ihr Erfolg hauptsächlich von ihnen selbst gestaltet wird. 
Raphi (Gast) meinte am 13. Feb, 17:47:
hallo :-)
ich überlege auch fair trade als Spezialgebiet zu nehmen. hast du da denn viel gefunden ? :-)
wenn ja, wo ? hast du auch ein buch gelesen ? 
 

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