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cotopaxi

 
Der Lehrberuf wird gerne als gesellschaftlicher Aufzug genützt. Viele meiner KollegInnen stammen aus einfachen Verhältnissen, haben am Bauernhof Unkraut gejätet, im Büro der Mutter Nachhilfe gegeben und beim Hausbau Mörtel gemischt. Sie kennen die harten und unrespektierten Tätigkeiten der unteren Mittelschicht und fliehen ins Studium: "Damit es mir einmal besser geht. Regelmäßiges Einkommen, sicherer Job, soziales Ansehen."

Bloß welches Studium? Molekularbiologen oder Steuerungstechniker lebten nicht in ihren Wohnhaussiedlungen, nur drei akademische Berufe sind in ihre kleine Welt vorgedrungen: Ein Doktor (der Medizin), ein Pfarrer (irgend einer Schattierung) und viele, viele Lehrer - Ihre Vorbilder: "Das wird mein Beruf!" Man wähle seine zwei Lieblingsfächer und ab nach Wien, Salzburg oder Innsbruck. Nach fünf Jahren schreibt man den Mag. phil. vor seinen Namen und präsentiert sich stolz seiner Umgebung: "Ich habe es geschafft!"

Bloß beeindruckt das die Kinder von heute nicht. Die haben mehr Respekt vor dem Besen des Schulwarts als vor dem akademischen Grad der Lehrer. Manche ihrer Eltern haben selbst studiert und alle fordern Leistung ein, statt Anerkennung zu zollen. Frust, weil der Aufzug stecken geblieben ist: "Wenn ich bloß Medizin oder Jus studiert hätte! Was die verdienen! Und sie müssen sich nicht mit allen Rotzlöffeln der Gosse herumschlagen."

Richtig schlimm wird es, wenn die Söhne und Töchter der beneideten Mediziner und Anwälte genüsslich ihre Standesdekadenz heraushängen lassen: "Ja, Frau Professor ... hätten Sie was Ordentliches studiert."
Und der Aufzug stürzt ins Bodenlose.
.peter meinte am 7. Mai, 02:20:
Klar: Man könnte zurecht argumentieren, dass die gesamte Lehrerausbildung auf Fachhochschulen stattfinden könnte. Und sei mer ehrlich: Auch aus Fachhochschulen hat es schon gute Forschung gegeben.

Aber welchen Anspruch hätte das? Nein, das der Lehrer studiert ist, ist schon richtig so. In 10 Jahren siehts mit dem Respekt wieder besser aus, und dann schau mer mal.

Und Mediziner ... haben tatsächlich eine bessere Ausbildung als wir Lehrer ... zum Glück. 
teacher antwortete am 7. Mai, 09:29:
Angeblich stimmen 4 von 5 Diagnosen nicht, aber die Breitbandantibiotika wirken auch bei den nicht erkannten Krankheiten.
Ich kenne mehrere Mediziner, die an das wissenschaftliche Niveau einiger AHS-Kollegen nicht herankommen! 
Alex (Gast) antwortete am 7. Mai, 11:36:
Tja, it's a jungle out there
Was die Mediziner betrifft, kann ich Ihnen nur 100% recht geben. Da meine Freundin leider einen sehr geschundenen Körper ihr eigen nennt, sind wir auch oft bei Ärzten aller Fachrichtungen. Seither ist mein Glaube an unsere Mediziner völlig erschüttert. 3-4 unterschiedliche Diagnosen, schwachsinnige Verschreibungen, Arroganz und Unbelehrbarkeit sind Usus. Aber.... es gibt auch Gute. Fachlich versierte, menschlich nette, schlussendlich Helfende. Man muss sie nur suchen und finden. Und, banal genung, so ist es eben überall.

Ich habe gelernt, die vorgegaukelte Ordnung und Sicherheit, in unserer europäischen Gesellschaft nicht mehr für bare Münze zu nehmen, sondern mir klar zu machen, dass diese Zivilisation nur eine dünne Firniss, über den brutalen und rücksichtslosen Verhaltensweisen des Tieres Mensch ist.

Umso mehr bewundere ich jene, die, obwohl sie anders könnten, nicht nur Ihren Vorteil suchen, sondern auch den Schwachen helfen. 
planetogirl (Gast) antwortete am 7. Mai, 16:58:
Die Mediziner sollten mal still sein...
Die Mediziner sollten mal ganz leise sein. Es ist unter Naturwissenschaftlern ein "running gag", dass den Damen und Herren der Doktortitel hinterhergeworfen oder dass sie im obligatorischen Physikerpraktikum nicht so hart rangenommen werden.

Nach dem Motto: "Die armen, armen Mediziner. Die müssen soooo lange studieren und soooo viel auswendig lernen. Denen kann man doch nicht zumuten jetzt auch noch im Praktikum, was zu lernen, oder noch 3 Jahre in eine saubere wissenschaftliche Arbeit zu investieren."

So hat mal mein Chef die "Doktorarbeit" einer Medizinerin betreut, die sie über *Trommelwirbel* Mondkrater schrieb, die nach Medizinern benannt wurden. Hat ganze 6 Monate gedauert und war vielleicht max. 50 Seiten lang. Hat das für sie oder ihre Patienten irgendwas gebracht? Vom Erkenntnisgewinn für die Allgemeinheit wollen wir mal schweigen...

Das ist jetzt natürlich stark überspitzt. Natürlich gibt es einige Mediziner, die sich wirklich was für ihre Arbeit ausdenken.

Ich hab aber schon den Eindruck, dass bei zukünftigen Ärzten viel mehr Wert darauf gelegt wird, dass sie viel auswenig lernen. Ob sie das dann auch verstehen und kritisch z.B. in der Lage sind Kosten und Wirksamkeit eines Medikaments zu beurteilen oder die Risiken einer Bestrahlung abschätzen können, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Ich fürchte leider, dass unser System intelektuelle Strichmännchen mit dem Ego eines besoffenen Porschefahrers hervorbringt, die aber immerhin zur Not das Telefonbuch von New York aufsagen können. 
teacher antwortete am 7. Mai, 17:11:
Ziemlich hart, eure Ansagen - aber ich kann hier nicht das Gegenteil behaupten. Leider. 
MissBlubb (Gast) meinte am 8. Mai, 13:00:
Warum sind sie eigentlich...
Lehrer geworden?
Das würd mich mal interessieren ;)

Übrigends wollte ich noch anmerken, nachdem ich Ihren Blog von hinten bis vorne gelesen habe, dass sie ein Lehrer sind, den ich mir wünschen würde.
Sind sie wirklich so, wie sie hier schreiben?
Ich gehe in die 11. Jgst eines Gymnasiums und unsere Lehrer sind alle ein wenig... naja, sie sind nicht nett, sie sind streng und sie machen an JEDEM Tag, auch vor den Sommerferien Unterricht ^^

Ich finde ihren Blog auf jeden Fall interessant, besonders für mich als Schülerin ist es spannend, den Schulalltag mal aus der Sicht eines Lehrers lesen zu können ;)

MfG
MissBlubb 
Nachtblau antwortete am 8. Mai, 13:02:
Oh Gott, welch Verbrechen jeden Tag Unterricht zu machen! 
MissBlubb (Gast) antwortete am 8. Mai, 14:08:
Ja, ne? ^^ Aber am letzten Schultag würd ich shcon lieber ein wenig mehr gammeln ;) 
MissBlubb (Gast) antwortete am 8. Mai, 14:34:
Was ich ausdrücken wollte: Unsere Lehrer ziehen immer streng den Unterricht durch und ablenken lassen sie sich auch nicht... die scheinen mir alle zu motiviert zu sein ^^ 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 8. Mai, 15:23:
@ MissBlubb

Nach dem bisher von mir gelesenen würde ich fast vermuten: aus einer gewissen Vorliebe dafür, psychologische Experimente mit den Schülern durchzuführen ;-)

Und es heißt das Blog, das Blog, das Blog. Hundertmal abschreiben. :P

Und zu den Medizinern... ich kann diese schlechten Erfahrungen nur bestätigen, wenn ich die Medikamentenkörbe meiner Großeltern anschaue, bei denen keiner der behandelnden Ärzte einen Durchblick hat... und auch die Aussage eines Bekannten, der mal ein Jahr als Schöffe mitgemacht hat: "Zwei Drittel aller Fälle sind betrügerische Ärzte" - nicht ganz ohne Grund gesagt, denke ich.
Achja, ich bin seit Jahren sehr zufrieden mit meinem Homöopathen und suche sonstige Ärzte nur in Notfällen auf. 
eremita (Gast) antwortete am 8. Mai, 16:22:
@MissBlubb
Liebe Missblubb,
lassen Sie sich nicht irritieren: ich finde, es heißt der Blog, der Blog, der Blog ... 
teacher antwortete am 8. Mai, 18:54:
@MissBlubb: Warum bin ich Lehrer geworden?
Da muss ich eine enttäuschende Antwort bieten:
Ich war bei der Berufsberatung und habe meine Interessen erzählt. Kernaussage: "Allgemeinbildung" ist mir am wichtigsten. Ich konnte mich auf keine Spezialausbildung festlegen, dann wählte ich Fächer, die sehr breit gestreut sind, z.B: 1 Sprache.
Mir war nicht bewusst, dass ich mit Kindern arbeiten werde, ich habe nur an die interessanten Fächer gedacht.
Später habe ich gemerkt, dass ich Kinder unterrichte, nicht Fächer.

Im Übrigen kenne ich kein besseres Kompliment als der "Lieblingslehrer" von jemanden zu sein oder "als Lehrer gewünscht" zu werden. Danke.

@S.Columbus:
Seit wenigen Jahren mache ich "psychologische Experimente" mit Kindern. Genau gesagt geht es um "Aktionsforschung" - ich beobachte mich und die Kinder und die Wechselbeziehungen zwischen beiden. Das lehre ich auch meinen Studenten an der Uni. 
Simon Columbus (Gast) antwortete am 8. Mai, 21:42:
Nun, zumindest aus den Schilderungen hier hört es sich an, als würdest du tatsächlich Kinder unterrichten - und nicht auf dem Fach beharren. Ist nicht bei allen Lehrern so, leider. Aus diesem Grund hätte ich dich auch gerne als Lehrer... *schleim* :D

(achja, weils mir grade auffällt... ich werde dich nicht siezen - dass wäre Lehrer-Diskriminierung. Ein "du" für alle!) 
teacher antwortete am 8. Mai, 21:51:
Ist mir wichtig, meine Fächer (die ich hier auch nie erwähne) im Hintergrund zu lassen. Menschen stehen im Vordergrund, das gilt auch für mich (ich sehe mich als Mensch mit einem Beruf).
Auch das *schleim* hör ich immer wieder. Typisches Schulwort, das ich gerne genauer untersuchen würde.
Und das "DU" passt hier gut ins Netz. In der Schule ist es bei uns tabu (was auch für alle besser ist). 
MissBlubb (Gast) antwortete am 9. Mai, 13:50:
Soll ich auch "du" schreiben? Als Schüler find ich die Vorstellung irgendwie komisch einen Lehrer zu duzen ^^
Ich find es auch wichtig, dass Lehrer die Schüler in den Vordergrund stellen und nicht das Fach... 
teacher antwortete am 9. Mai, 15:46:
"Du"? - Gerne.
Für mich hat das den Vorteil, dass du offener, direkter und ehrlicher schreibst. Der Blog soll mir auch helfen, hinter die Fassaden zu schauen, die selbst offene SchülerInnen vor offenen LehrerInnen aufbauen. Diese Rückmeldungen sind weder "verschleimt" noch "verhasst" - eine neue, digitale Dimension, das Web 2.0. 
Christian (Gast) antwortete am 9. Mai, 21:06:
Der, die, das
Der Blog? Und das Joghurt?

Müssen Austriazismen sein ;-) 
olfre meinte am 8. Mai, 16:24:
olfre.twoday.net 
Sternenstaub meinte am 8. Mai, 19:18:
tja ich denk, dass das Problem weder die Lehrer noch die Schüler sind - es ist das System, das weder den einen noch den anderen ernst nimmt, was leider aber heißt, auch WIR sind das System und lassen das zu.

Ich hab lediglich Erfahrung mit Jungschargruppen bzw. seit einiger Zeit ne Jugendgruppe und ich weiß wie sehr das fordert - tja und ihr Lehrer steht aber tagtäglich vor dieser leider oftmals "teigigen" Masse - drum *erführchtig den Hut zieh*

Lass dich nicht entmutigen und schon gar nicht unterkriegen !!!! Da du dieses/n Blog hast und das schreibst, was du schreibst, zeigt mir, dass ich doch noch Hoffnung in unser Schulsystem haben kann. 
teacher antwortete am 8. Mai, 19:23:
Danke.
Zuspruch kann mir nicht schaden :-) 
 

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